Nach Amoklauf in Florida Amerikas Jugend kämpft gegen die Waffen

Washington · Nach dem Amoklauf an einer Schule in Florida formiert sich in den USA ein junger Protest. Die Schüler und Studenten scheinen erste Erfolge zu erzielen. Tatsächlich kommt Bewegung in den Waffendiskurs.

USA: Schüler protestieren in Florida und Washington
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Schülerproteste in den USA

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Foto: afp

Julia Bishop sitzt in einem Reisebus, das Ziel ist Tallahassee, eine eher schläfrige Stadt, in der gleichwohl das politische Herz Floridas schlägt. Dort tagt das Parlament des "Sunshine State", und Julia Bishop hat sich auf den Weg gemacht, um den Abgeordneten ihre Meinung zu sagen.

Es sind exakt hundert Schüler der Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland, an der Nikolas Cruz vergangene Woche 14 Teenager und drei Lehrer erschoss, die nach Tallahassee gefahren sind, um Druck zu machen. Damit sich endlich etwas bewegt im amerikanischen Waffendiskurs, damit die Politik nach kurzem Intermezzo nicht wieder achselzuckend zur Tagesordnung übergeht, wie es zuvor stets der Fall war.

"Ich werde Sie nicht wählen"

Den Kern ihrer Botschaft hat Julia Bishop schon im Bus in Worte gefasst, aus denen mehr spricht als Wut, nämlich eine fast abgeklärte Entschlossenheit. "Wenn Sie nicht bereit sind, Kompromisse mit mir zu schließen oder mir wenigstens zuzuhören, den Leuten zuzuhören, die Sie ja repräsentieren sollen, dann werde ich Sie höflich nach Ihrem Namen fragen. Und dann werde ich sagen, großartig, bei der nächsten Wahl werde ich nicht für Sie stimmen."

Mehr noch, schiebt die Achtzehnjährige hinterher, sie werde jeden in Parkland, jeden in Florida auffordern, diese Leute nicht zu wählen. "Und dann sind Sie Ihren Job los, da bin ich mir sicher."

Ob das Aufbegehren zu Resultaten führt, scheint völlig offen. Bislang dauerte es nach einem Schusswaffenmassaker in aller Regel nur ein paar Tage, allenfalls Wochen, bis man in Washington wie in der Provinz wieder in den alten Trott verfiel. Doch die eloquente Vehemenz, mit der die Schüler aus Parkland im Fernsehen, auf Kundgebungen und in sozialen Medien ihr Anliegen vertreten, hat Eindruck hinterlassen.

"Marsch für unsere Leben"

Der Schauspieler George Clooney und seine Frau Amal spenden eine halbe Million Dollar, um am 24. März einen "Marsch für unsere Leben" in der US-Hauptstadt zu unterstützen. Auch Oprah Winfrey und Steven Spielberg erklären sich solidarisch, was zwar kaum mehr ist als eine symbolische Geste, aber angesichts der Strahlkraft Hollywoods auch nicht zu unterschätzen. Am 14. März werden Schüler überall in Amerika um zehn Uhr ihre Klassenzimmer verlassen, 17 Minuten lang, eine Minute für jedes Opfer.

Unter dem Druck der Proteste sieht sich auch Donald Trump gezwungen, den Pfad der Gedanken und Gebete, verbunden mit Nichtstun, zu verlassen. Zumindest in der Ankündigung. Der Präsident, der intensiv fernsieht und bisweilen instinktiv auf das reagiert, was gerade über die Bildschirme läuft, stellt erste Schritte in Aussicht. Zwar wären es nur Minireformen, doch dass sie womöglich den Weg zu strikteren Waffengesetzen ebnen, will auch die demokratische Opposition nicht völlig ausschließen.

"Wir können nicht einfach Dinge beschließen, die uns das Gefühl geben, dass wir einen Unterschied machen. Wir müssen tatsächlich einen Unterschied machen", sagte Trump, als er seinem Justizminister Jeff Sessions vor laufenden Kameras den Auftrag gab, an neuen Direktiven zu feilen. Zum einen sollen sogenannte "bump stocks" verboten werden, relativ billige Bauteile, die aus halbautomatischen Waffen de facto Maschinengewehre machen. Stephen Paddock, der im Oktober in Las Vegas 58 Menschen tötete, benutzte einen solchen Kolbenaufsatz. Zum anderen setzt sich der Präsident - zumindest verbal - für Paragrafen ein, die Pannen beim Umgang mit dem Zentralregister für Waffenkunden auf ein absolutes Minimum beschränken sollen. Theoretisch müssen Behörden Informationen über Vorbestrafte oder psychisch Kranke an das "National Instant Criminal Background Check System" (Nics) melden. In der Praxis funktioniert es nicht immer. Devin Kelley, der in einer Kirche in Texas 26 Menschen umbrachte, konnte legal Waffen erwerben, obwohl ihn die Luftwaffe wegen massiver mentaler Probleme entlassen hatte. Sein Fall hat die Nics-Datenbank nie erreicht. Die Legislative, suggeriert nun das Weiße Haus, möge Nägel mit Köpfen machen, damit sich so etwas nicht wiederholt.

Feigenblatt-Symbolik

Den meisten Demokraten geht das alles nicht weit genug, manche sprechen sogar von Feigenblatt-Symbolik. Was sie verlangen, ist die Neuauflage eines Verbots von Sturmgewehren, wie es schon einmal ein Jahrzehnt lang in Kraft war. 1994 unter Bill Clinton verfügt, lief es 2004 unter George W. Bush aus.

Als es zu Wochenbeginn im Parlament Floridas zur Debatte stand, behielten die Bremser der republikanischen Mehrheit die Oberhand. Zumindest in Tallahassee wird es eine Diskussion über den Bann fürs Erste nicht geben. Vielleicht hallt aber der hartnäckige Protest der Jugend dieses Mal länger nach.

(RP)
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