Vier Stunden "Direkter Draht" Putin sieht Parallelen zwischen Comey und Snowden

Präsident Wladimir Putin bewies am Donnerstag erneut Ausdauer. Vier Stunden lang stand er dem Volk Rede und Antwort. Zum fünfzehnten Mal fand die alljährliche Sendung der "Direkte Draht" seit Putins Amtsübernahme 2000 statt. Und zumindest eine Äußerung ließ Aufhorchen.

 Wladimir Putin steht "Rede und Antwort" beim Direkten Draht.

Wladimir Putin steht "Rede und Antwort" beim Direkten Draht.

Foto: afp

Wie immer hatte sich der Kremlchef bis ins Detail und hinters Komma auf die Fragestunden vorbereitet, in denen er manch einem Bürger auch sehnliche Wünsche erfüllt. Vor allem geht es den Regisseuren des beliebten Formats jedoch darum, den Menschen ein Gefühl der Ruhe, Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Der Direkte Draht simuliert einen Austausch zwischen Volk und Führung, der seit langem nicht mehr stattfindet.

Einige Tage vorher werden die handverlesenen Teilnehmer aus allen Teilen Russlands in einem Erholungsheim vor den Toren Moskaus auf das Treffen mit dem Präsidenten vorbereitet. Kleiderfragen und Trinkverhalten werden am häufigsten besprochen, erzählen Eingeweihte.

Es beginnt immer mit der wirtschaftlichen Lage

Es gehört bereits zum Ritual, dass Präsident Wladimir Putin mit einem Überblick über die wirtschaftliche Lage Russlands beginnt. In seiner Wahrnehmung stellt sie sich meist etwas besser dar als vor den Mauern des Kremls. "Die Rezession ist beendet, und wir sind in eine Phase des Wachstums übergegangen", meinte Putin. Ähnlich klang es auch schon in den Vorjahren. Die Inflation sei gering und die Währungsrücklagen wieder gewachsen, so Putin. Zwar sei Russland immer noch von Rohstoffexporten wie Erdöl abhängig. Der Export von anderen Gütern hätte aber zugenommen. Der Faktencheck unabhängiger Beobachter wartet am nächsten Tag gewöhnlich mit etwas vorsichtigeren Ergebnissen auf.

Doch das ist auch nicht die entscheidende Aufgabe des Fragemarathons. Wladimir Putin präsentiert sich als eine Art russischer Wundertäter und Alleskönner. Das Forum bietet ihm die Gelegenheit, sich von der Bürokratie und der politischen Elite zu distanzieren. Der Kremlchef untermauert damit den jahrhundertealten Mythos: wäre der Zar über die Machenschaften der Beamten nur im Bilde, würde im Staate alles viel besser laufen. Russlands Öffentlichkeit ist dafür immer noch sehr empfänglich.

"Wir sehen die USA nicht als Feind"

Der Präsident widmete sich auch den gespannten Beziehungen zu den USA. Außenpolitik spielte jedoch nur eine Nebenrolle. Bislang belasten vor allem US Vorwürfe das Verhältnis. Laut Washington verdichten sich Hinweise, dass sich Russland noch stärker als ursprünglich vermutet in den US Wahlkampf im Sommer 2016 zugunsten Donald Trumps einmischte. Dennoch bekräftigte Putin die Absicht, die Beziehungen zu den USA normalisieren zu wollen. "Wir sehen die USA nicht als Feind".

Dazu meldete sich auch ein US-Bürger aus Arizona per Skype beim Kremlchef. Der Amerikaner bat ihn, die bilateralen Beziehungen in Ordnung zu bringen und beklagte sich über russlandfeindliche Stimmungen in den USA. So musste Putin dies nicht noch einmal wiederholen. Die Hackerangriffe auf die USA und andere westliche Länder übergeht er.

Die Dramaturgie der Veranstaltung war gelungen. Der Gegner außerhalb Russlands war immer präsent, ohne dass er der Innenpolitik die Zeit stahl. Im Innern schrumpften die Probleme dadurch auf ein handhabbares Maß. Wladimir Putin gab sich sanft und nachsichtig. Er gestand sogar, dass er zum zweiten Mal Großvater geworden sei. Ein Geheimnisverrat, gewöhnlich hält der Präsident das Private außen vor.

Bietet Putin Comey Asyl an?

Auch zur aktuellen Affäre um den Ex-FBI-Chef Comey nahm Putin Stellung: Sie unterscheide sich nicht von der des geflüchteten US-Whistleblowers Edward Snowdon, dem Moskau vor vier Jahren Asyl gewährte. Wollte Putin damit sagen, auch dem FBI Mann Comey stünden die Türen für politisches Asyl in Russland offen? Der Kremlchef schätzt derbe Späße, in letzter Zeit werden sie auch anzüglicher.

Gereizt reagierte Putin auf den ukrainischen Präsidenten Petr Poroschenko und dem Wegfall der EU-Visapflicht für Ukrainer. Petroschenko hatte sich mit Zeilen des russischen Dichters Lermontow von Moskau Richtung Europa verabschiedet. Vom "ungewaschenen Russland" sprach der Dichter und Offizier vor fast 200 Jahren. Putin revanchierte sich und warnte den Ukrainer vor "blauen Waffenröcken", wovon es in Europa sehr viele gebe. "Blau" bedeutet im Russischen auch homosexuell. Das Ressentiment nicht nur gegenüber dem Nachbarn sitzt tief.

Die heiklen Themen greift die Regie nur kurz auf. Dazu gehört das Renovierungsprogramm in Moskau. 1,5 Millionen Menschen könnten ihre Bleibe verlieren, wenn tausende Wohnhäuser abgerissen würden wie es der Bürgermeister Moskaus vorsieht. Schon jetzt laufen Bürger Sturm.
Auch ein Teil der Jugend tauchte in der Putin-Show nicht auf. Sie hatte Montag dem Kreml mit Demonstrationen am Nationalfeiertag landesweit die Stimmung verdorben. Gegenüber den Fernsehzuschauern fiel dazu kein Wort. Erst nach der Tele-Show sagte Putin zu Journalisten, die Demonstrationen seien von außen gesteuert worden. Dort schloss er eine weitere Amtszeit als Kremlchef auch nicht aus. 2018 wählt Russland wieder. Doch das Volk müsse entscheiden, meinte Putin. Eine Eilmeldung war das nicht.

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