Palmyra Die heimlichen Finanziers des "Islamischen Staats"

Palmyra · Es ist so gekommen, wie vorhergesagt wurde: Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zerstört die antike Tempelanlage im syrischen Palmyra. Anfang letzter Woche nahm sich die Mörderbande den kleineren Baal-Schamin-Tempel vor, am Sonntag nun den großen Baal-Tempel.

Medienwirksam werden Fotos im Internet verbreitet, auf denen die Sprengung der Säulen zu sehen ist. Bis in kleinste Details wird die vollständige Vernichtung gezeigt, wie Minen um das antike Kunstwerk gelegt werden und der Tempel schließlich in einer riesigen Rauchsäule verschwindet. Die ganze Tempelanlage stammt aus dem ersten Jahrhundert nach Christus und ist eine der bedeutendsten religiösen Stätten im Nahen Osten.

Parallel zur Ausbreitung des IS vollzieht sich das Fiasko des Staatengefüges im Nahen und Mittleren Osten. Die Auflösung der Grenzen ist in vollem Gange. Ein Drittel der 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga sind gescheiterte Staaten, ein Drittel ist schwach und schwankend, ein Drittel hyperautoritär. Kein arabischer Staatschef besitzt internationales Format. Nirgendwo hat sich eine stabile Demokratie, geschweige denn ein tragfähiger Sozialstaat herausgebildet.

Nirgendwo existiert eine moderne Vorstellung von ziviler Partizipation und mündigem Bürgertum — und das in einer Region, in der gut die Hälfte der 280 Millionen Einwohner jünger als 30 Jahre ist. Positive Kräfte, die das Blatt wenden könnten, sind nicht in Sicht. Stattdessen spielen die arabischen und türkischen Eliten dem "Islamischen Staat" weiter in die Hände. Ohne die Hilfe Saudi-Arabiens wäre der IS unbedeutend, und ohne die Unterstützung der Türkei würde das Kalifat nicht schon so lange existieren. Nach mehr als einem Jahr präsentiert sich der "Islamische Staat" gefestigter denn je.

Wie viele Millionen US-Dollar aus Saudi-Arabien in die Kriegsländer Irak und Syrien geflossen sind, lässt sich wohl nie sicher ermitteln. Tatsache aber ist, dass schon Al Qaida in den Jahren der amerikanischen Besatzung im Irak von saudischem Geld profitierte. Ihren Kampf gegen die schiitische Vorherrschaft zwischen Euphrat und Tigris ließen sich die sunnitischen Geldgeber in Riyad und am Persischen Golf einiges kosten. Mit dem Abzug der US-Truppen 2011 aus dem Irak zog sich auch Al Qaida zurück und ging nach Syrien, wo der Bürgerkrieg ausgebrochen war.

Fortan bekamen die gegen den Alawiten Assad kämpfenden sunnitischen Rebellen Dollars aus Saudi-Arabien. Aus Al Qaida wurde Al Nusra, woraus sich der IS abspaltete. Die Finanziers waren stets dieselben: zu den saudischen Geldgebern hatten sich in der Zwischenzeit auch welche aus Katar gesellt.

Der Siegeszug des IS nahm seinen Lauf. Die Türkei indes fürchtet einen kurdischen Staat vor ihrer Haustür mehr als das Kalifat. Kämpfer des IS erhielten bis vor Kurzem freies Geleit, verwundete Dschihadisten wurden in türkischen Krankenhäusern behandelt, das Grenzgebiet diente als Rückzugsort. Erst das Selbstmordattentat am 20. Juli in der Stadt Suruç und die Ermordung zweier Polizisten wurden von Ankara zum Anlass genommen, militärisch gegen den IS und die PKK vorzugehen. Allerdings stehen die Luftangriffe gegen den IS in keinem Verhältnis zu denen gegen die kurdische PKK. Eine entschlossene Bekämpfung des IS seitens der Türkei müsste anders aussehen.

(RP)
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