Mit Türkei und Griechenland Deutschland forciert Pläne für Nato-Einsatz in der Ägäis

Brüssel/Berlin · Soll die Nato den Kampf gegen Schleuserbanden in der Ägäis unterstützen? Nach Deutschland und der Türkei sagen nun auch die Griechen Ja. Eines der wichtigsten möglichen Hindernisse scheint überwunden.

Deutschland und die Türkei haben bei ihren Bemühungen um eine Nato-Beteiligung am Kampf gegen Schleuserbanden in der Ägäis einen wichtigen Etappenerfolg erzielt. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen konnte Griechenland davon überzeugt werden, sich an dem Antrag auf Bündnisunterstützung zu beteiligen. Ein entsprechendes Papier sei am Mittwochabend beim Nato-Verteidigungsministertreffen an die anderen Alliierten weitergegeben worden, hieß es in Brüssel. Noch an diesem Donnerstag solle über den Antrag beraten werden.

Die Pläne gehen auf das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu am Montag in Ankara zurück. Die Türkei ist wichtigster Zufluchtsort und auch wichtigstes Transitland für Flüchtlinge aus Syrien. Beim Versuch, von dort nach Griechenland zu kommen, ertranken seit Beginn des Jahres mehr als 340 Menschen. Viele von ihnen wurden von Schleusern auf gefährliche Boote gelockt.

"Ziel muss es sein, das perfide Geschäft der Schmuggler und der illegalen Migration zu erschweren - wenn nicht unmöglich zu machen", sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwoch zu den Gesprächen in Brüssel.

Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen sollen Nato-Schiffe bei dem angedachten Anti-Schleuser-Einsatz das Seegebiet zwischen der Türkei und Griechenland überwachen und ihre Aufklärungsergebnisse an die türkischen und griechischen Behörden weitergeben. Diese sollen so in die Lage versetzt werden, kriminelle Schleuserbanden effektiver zu verfolgen.

Entdecken die Besatzungen der Nato-Schiffe in Seenot geratene Flüchtlinge, sollen diese gerettet und in die Türkei zurück gebracht werden. Diese Vereinbarung sei überraschend einfach erzielt worden, hieß es.

Genutzt werden für den Einsatz soll einer der ständigen Marineverbände des Bündnisses. Er ist derzeit ohnehin im Mittelmeer unterwegs. Flaggschiff ist der deutsche Einsatzgruppenversorger "Bonn".

Dänemark sagte Angaben aus Diplomatenkreisen zufolge noch am Mittwochabend spontan zu, ein zusätzliches Schiff für den Verband zur Verfügung zu stellen. Er besteht in der Regel aus rund fünf Schiffen und soll im Idealfall für den Anti-Schleuser-Kampf auf etwa zehn Schiffe aufgestockt werden.

Wann der Einsatz im Fall einer Zustimmung der anderen Nato-Partner beginnen könnte, blieb zunächst unklar. Es wird damit gerechnet, dass zunächt die militärische Ebene mit konkreten Planungen beauftragt wird.

Einer der schwierigsten Punkt in den Verhandlungen über den Gemeinschaftsantrag soll der Streit um Hoheitsrechte in der Ägäis gewesen sein. Dieser dauert seit mehr als 40 Jahren an und brachte Griechenland und die Türkei mehrfach nahe an einen militärischen Konflikt brachte - zuletzt 1996. Damals konnte ein Krieg im Streit um zwei Felseninseln in der Südostägäis erst nach Vermittlung der USA abgewendet werden. In der Ägäis werden Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet.

In den Gesprächen gelang es nach Angaben von Diplomaten, den Konflikt soweit wie möglich auzuklammern. Es wurde allerdings vereinbart, dass griechische Schiffe aus dem Nato-Verband nicht in türkische Hohheitsgewässer fahren dürfen und türkische Schiffe nicht in griechische Hoheitsgewässer.

Die deutschen Oppositionsparteien lehnen den diskutierten Nato-Einsatz bei der Überwachung der Flüchtlingsströme in der Ägäis ab. Es gehe hier weniger um die Bekämpfung von Schlepperbanden, als vielmehr um den Einsatz gegen Flüchtlingsschiffe, kritisierte Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht im Deutschlandfunk. "Es kann ja wohl niemand ernsthaft sagen, dass wir jetzt militärisch gegen Flüchtlingsschiffe vorgehen sollten". Mit solchen Mitteln Flüchtlinge "abzudrängen", halte sie für unverantwortlich. Zudem erhöhe ein solcher Einsatz die Gefahr, dass die Nato stärker in die Flüchtlingskrise involviert werde, "und das sollte sich niemand wünschen".

Scharfe Kritik an den Plänen kam auch von den Grünen. "Es wäre der absolut falsche Weg, den Umgang mit den Flüchtlingen im Mittelmeer nun zur Nato-Aufgabe zu erklären oder ihn gar weiter zu militarisieren", sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Entscheidend sei letztlich, was mit den Informationen geschehe, die von der Nato gegebenenfalls in der Ägäis gesammelt würden.

(dpa)
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