Nahost Deutsche dienen in israelischer Uniform

Negev · Junge Männer und Frauen aus Deutschland gehen nach Israel, um dort freiwillig Militärdienst zu leisten. Sie riskieren ihr Leben für den jüdischen Staat.

 Dienst in der Negev-Wüste: Natahlie K. (20) aus Würzburg.

Dienst in der Negev-Wüste: Natahlie K. (20) aus Würzburg.

Foto: Yaron

Es ist wohl der letzte Ort auf der Welt, an dem man erwartet, eine junge, blonde und blauäugige Frau mit fränkischem Akzent anzutreffen. Auf einer Bergspitze tief in der Negev-Wüste, hoch über einer strategisch wichtigen Anlage, wo der Wind so heiß ist als ströme er direkt aus einem Fön, leistet Nathalie K. (20) ihren Militärdienst. Schnell wird klar, dass das hier eine Kampfeinheit ist: Alle paar Minuten heulen die Sirenen auf, Warnung, dass ein Flugobjekt sich auf verdächtige Weise nähert. Die Soldaten der Luftabwehr müssen allzeit bereit sein, Israels Himmel zu verteidigen.

Was hat Nathalie hierher verschlagen? "Ich hatte eine schwere Kindheit", sagt Nathalie mit einem schüchternen Lächeln, und schweigt sich über die Details aus. Der Vater verließ die Familie, als Nathalie sieben Jahre alt war. Ende 2001 lernte ihre Mutter einen Israeli kennen. Fünf Jahre später entschloss sich die Familie, nach Israel auszuwandern. Israel wurde für sie zu dem Heim, das Deutschland nie war: "Hier hat man mich mit offenen Armen empfangen, das ist nicht selbstverständlich. Ich weiß das sehr zu schätzen."

Eine der härtesten Armeen der Welt

Sie sind Einwanderer wie Nathalie, oder sie kommen eigens für eine bestimmte Zeit nach Israel: Immer mehr Deutsche melden sich freiwillig zum Dienst in einer der härtesten Armeen der Welt. Keine offizielle Statistik nennt ihre Zahl, aber es handelt sich um mehr als nur eine Handvoll. Sie nehmen mehr als nur spartanische Wohnverhältnisse und schlaflose Nächte in Kauf, um Israels Sicherheit, die Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Staatsräson erklärt hat, zu gewährleisten.

Bei über 35 Grad im Schatten robben sie im Sommer durch den Sand der Negev-Wüste. Im Winter stehen sie in bitterer Kälte auf den Golanhöhen an der Grenze zu Syrien Wache. Fern von Familie und Freunden, begeben sie sich in Lebensgefahr. Dabei ist es nicht leicht, Teil der Truppe zu werden. Manche mussten darum ringen, die olivgrüne Uniform des Judenstaats tragen zu dürfen.

Nathalie will ganz dazugehören, ist zum Judentum übergetreten. An ihrem Hals baumelt ein goldener Davidstern an einem Kettchen. Sie hält den Sabbat ein und isst koscher. Wenn sie von Juden spricht, redet sie von "wir": "Es gibt einen Grund, weshalb wir rund 2000 Jahre Diaspora und Verfolgung überlebt haben. Dank der Religion", sagt sie. Ihren Armeedienst betrachtet sie als Gelegenheit, Dankbarkeit zu zeigen: "Ich will dem Land ein bisschen von dem zurückgeben, was ich von ihm bekommen habe. Das hier ist jetzt mein Volk, das ist meine Familie."

Für Deutschland hat die junge Frau nichts mehr übrig. Vor anderthalb Jahren war sie bei einem Jugendaustausch in Berlin. Zuhause fühlte sie sich nicht: "Sagen wir mal, ich habe die Sprache verstanden. Dort ist eine andere Welt, aber mein Leben ist hier. Wer nicht in Israel lebt, kann niemals nachvollziehen, was das wirklich bedeutet. Wie das für die Bewohner rund um den Gazastreifen ist, wenn sie nach dem Aufheulen einer Sirene nur knapp 15 Sekunden Zeit haben, einen Bunker aufzusuchen." Deswegen will sie "dieses Land verteidigen". Wenn sie so in Uniform und Sturmgewehr vor einem sitzt und voller Überzeugung von der Armee spricht, fällt es schwer zu glauben, dass sie "früher liebte, shoppen zu gehen". Heute hat sie ganz andere Ambitionen: Sie will Berufssoldatin werden, soll bald den Offizierskurs besuchen: "Bei der Luftabwehr gibt es nach oben keine Grenzen. Das hier ist nur der Anfang", sagt Nathalie. "Ich bin stolz, in der israelischen Armee zu dienen — das ist schon was, als Jude in einer jüdischen Armee dienen zu können", sagt der Gefreite Dr. Omer (Name geändert) aus Berlin, der nach seinem Medizinstudium nach Israel auswanderte und jetzt zum Bataillonsarzt ausgebildet wird. Der 21 Jahre alte Benny Nudelmann ist dagegen nur auf Zeit aus Berlin hergekommen, um zwei Jahre zu dienen.

"Ich bin kein Israeli"

Danach will er zurück: "Ich bin kein Israeli", sagt der muskulöse, blonde Fallschirmjäger, dessen Hebräisch seine deutsche Herkunft preisgibt. Der Dienst ist hart. "Ganz anders als bei der Bundeswehr", sagt Armeesprecher Major Arye Shalicar (36), ebenfalls ein Einwanderer aus Berlin. Er muss es wissen, schließlich ging er auch in Deutschland zur Armee: "Die Bundeswehr war eher wie ein Picknick. Die israelische Armee ist dagegen rund um die Uhr das ganze Jahr hindurch damit beschäftigt, das nackte Überleben zu sichern." Manchmal kann das auch bedeuten, in den Krieg zu ziehen. Wie im November 2012, als der Fallschirmjäger Benny mit Zehntausenden anderen Soldaten in den Sanddünen rund um Gaza biwakierte während "zig Raketen über unsere Köpfe hinwegflogen." Alle warteten auf den Befehl, in den von der radikal-islamischen Hamas kontrollierten Landstrich einzumarschieren.

"Man wächst innerlich"

Doch dann wurde doch noch ein Waffenstillstand ausgehandelt und der Angriffsbefehl blieb aus.. "Als ich das erste Mal die Luftschutzsirene hörte, rutschte mir das Herz in die Hose", sagt Feldwebel Mark K. (26) aus Berlin, der in Israels größter Stadt in der Planungsabteilung der Armee dient und die internationalen Beziehungen des Militärs pflegt. "Ich habe aber nie daran gedacht, hier wieder wegzugehen. Ich will bleiben und helfen." Mark sieht den Wehrdienst als Eintrittskarte in die israelische Gesellschaft: "Ich mache die Armee, um mich zu integrieren, die Sprache zu lernen", sagt er. "Das gehört hier einfach dazu", meint auch der Arzt Omer. Andere wollen sich der Herausforderung stellen.

"Man wächst innerlich. Ich hätte doch früher nie gedacht, dass ich in 15 Stunden 65 Kilometer laufen kann", sagt der Fallschirmjäger Benny. Alle Widrigkeiten nehmen die Soldaten bereitwillig hin, sie scheinen von einem Sendungsbewusstsein erfüllt, sind überzeugt, einem höheren Zweck zu dienen: Juden in aller Welt fühlten "sich sicherer, weil es den Staat Israel gibt", erläutert Benny. Der Staat sei "für jeden Juden die einzige Garantie, dass es nie wieder einen Holocaust geben wird." Und immer mehr deutsche Juden wollen helfen, diese Garantie zu bewahren.

(csi)
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