Freihandelsabkommen mit Kanada Europa blamiert sich mit Ceta

Brüssel · Kanadas Handelsministerin Freeland hat das Freihandelsabkommen bereits für gescheitert erklärt. Dem Brüsseler EU-Gipfel gelingt es nicht, den Widerstand der belgischen Provinz Wallonien zu brechen.

 Jean-Claude Juncker: "Ich verliere nicht die Hoffnung"

Jean-Claude Juncker: "Ich verliere nicht die Hoffnung"

Foto: afp

Deutsche Wirtschaftsvertreter haben entsetzt auf das drohende Scheitern des europäisch-kanadischen Freihandelsabkommens Ceta reagiert. "Der Schaden für die außenwirtschaftlich orientierte deutsche Wirtschaft wäre immens und in seiner ganzen Tragweite noch überhaupt nicht absehbar", sagte Außenhandelspräsident Anton Börner. "Im Falle einer Nicht-Einigung wären Europas Glaubwürdigkeit und unser Ruf, ein ernstzunehmender Verhandlungspartner zu sein, ruiniert."

Ähnlich äußerte sich DIHK-Außenhandelschef Volker Treier. "Sollte die Ratifizierung nun doch noch auf der Zielgeraden scheitern, wäre dies ein großer Schaden für die internationale Glaubwürdigkeit beim Thema Handelspolitik", sagte Treier.

Das unterschriftsreife Abkommen droht am Widerstand der französischsprachigen Provinz Wallonien im Süden Belgiens zu scheitern. Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen und stundenlanger Verhandlungen ging der EU-Gipfel in Brüssel gestern ohne eine Einigung mit Wallonien zu Ende. Ceta sollte am kommenden Donnerstag unterzeichnet werden. Ob es dazu kommt, ist nun fraglich. "Ich bin besorgt", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Es geht hier auch um den Ruf Europas."

Internationale Blamage

Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland brach gestern Nachmittag ihre Gespräche mit dem wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette ab und erklärte Ceta bereits für gescheitert. Die EU, so die Ministerin, sei derzeit nicht in der Lage, mit Kanada ein Handelsabkommen abzuschließen.

Gelingt es der EU in den kommenden Tagen nicht doch noch, die frankophone 3,5-Millionen-Einwohner-Provinz durch Zusatzerklärungen umzustimmen, wäre die europäische Staatengemeinschaft international blamiert. Zudem würden die Zweifel an ihrer Handlungsfähigkeit wachsen. Denn auch die Uneinigkeit der Europäer bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise und der absehbare britische EU-Austritt werfen die Frage auf, ob die EU in ihrer bisherigen Struktur und mit ihren komplizierten Abstimmungsmechanismen fortbestehen kann.

Die belgische Zentralregierung setzt sich zwar wie die übrigen 27 Staaten der Europäischen Union für das Ceta-Abkommen ein. Ihr sind aber die Hände gebunden, weil in Belgien auch alle fünf regionalen Parlamente zustimmen müssen. Der wallonische Ministerpräsident Magnette erklärte, es habe zwar Fortschritte gegeben, aber wegen der strittigen Frage der Schiedsgerichte noch keine Einigung.

"Ich verliere nicht die Hoffnung"

Dahinter verbirgt sich, dass Unternehmen einzelne EU-Länder vor einem Investitionsgerichtshof auf Schadenersatz verklagen können, wenn sie ihre Vorhaben dort durch Regulierungen behindert sehen. An diesem Punkt war das Abkommen nach massiven Protesten der Ceta-Gegner bereits nachgebessert worden. Die Kritiker verlangen jedoch weitere Zusatzerklärungen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte ihre Hoffnung nicht aufgeben: "Ich bin optimistisch, dass man vielleicht noch eine Lösung findet." Ähnlich äußerte sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: "Ich verliere nicht die Hoffnung." In den nächsten Tagen könne es noch eine Einigung geben.

"Wenn man sich die innerstaatlichen Entscheidungsstrukturen Belgiens anschaut, könnte man auf die Idee kommen, dass Belgien ein ,failed state' (ein gescheiterter Staat) ist", sagte Europapolitiker Elmar Brok (CDU). "Das ist der Egotrip eines Mannes. Der wallonische Ministerpräsident hält Europa auf, ich halte das für unverantwortlich."

(mar)
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