Bundespräsident Steinmeiers Überraschungsbesuch in Afghanistan

Kabul/Masar-i-Sharif · Mehr Eigenverantwortung der afghanischen Regierung für die Sicherheit im Land fordert Bundespräsident Steinmeier bei seinem unangekündigten Besuch in Afghanistan. Den deutschen Soldaten will er Respekt erweisen. Für Präsident Ghani hat er eine klare Botschaft.

 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender am Flughafen in Masar-i-Scharif.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender am Flughafen in Masar-i-Scharif.

Foto: dpa, bvj fgj

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die afghanische Regierung zu mehr Anstrengungen für einen ernsthaften Friedensprozess aufgerufen. Dazu gehöre auch eine politische Verständigung mit den radikal-islamischen Taliban, sagte Steinmeier am Donnerstag vor deutschen Soldaten im Feldlager der Bundeswehr in Masar-i-Scharif.

Zuvor war er in Kabul mit Präsident Aschraf Ghani und Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah zusammengetroffen. Deutschland sei bereit, Afghanistan weiter zu unterstützen, sagte Steinmeier. "Die afghanische Seite muss aber mehr dazu beitragen, dass dieser Einsatz eine realistische Erfolgschance hat", betonte er. Die Präsenz deutscher und anderer internationaler Truppen könne nie Ersatz sein für eine politische Lösung.

Derzeit sind rund 1000 Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan stationiert. Steinmeier zollte ihnen Respekt und Anerkennung für ihren schwierigen Einsatz. "Deutschland kann stolz auf das sein, was sie hier alle gemeinsam leisten", sagte er. Am Ehrenhain für die Gefallenen gedachte er der 56 deutschen Soldaten, die bisher beim Einsatz in Afghanistan ums Leben gekommen sind.

Der Bundespräsident sagte, die Sicherheitslage habe sich "an einzelnen Orten" Afghanistans verschlechtert. Die jüngsten Anschläge vor der deutschen Botschaft in Kabul und auf das deutsche Generalkonsulat in Masar-i-Scharif seien schockierend. Manche Hoffnungen hätten sich als zu optimistisch erwiesen.

Steinmeier war nach einem Besuch in Kasachstan unangekündigt nach Afghanistan geflogen. Wegen der schlechten Sicherheitslage in der Hauptstadt wurde er vom Flughafen mit einem Hubschrauber direkt in den Garten des Präsidentenpalasts gebracht. Ein Transport auf der Straße gilt derzeit als zu gefährlich.

Zum Inhalt der Gespräche gab es aus dem Präsidialamt und dem afghanischen Präsidentenpalast keine offiziellen Informationen. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, Ghani habe seiner Sorge über die Rolle Pakistans Ausdruck gegeben. Afghanistans Nachbarn wird vorgeworfen, radikal-islamische Gruppen in Afghanistan zu unterstützen, darunter das Hakkani-Netzwerk, das nach Ansicht deutscher Sicherheitskreise hinter einem schweren Bombenanschlag vor der deutschen Botschaft in Kabul am 31. Mai steckte. Rund 150 Menschen, die meisten afghanische Zivilisten, waren bei der Explosion von 10 000 Kilogramm Sprengstoff dort getötet worden. Teile der Botschaft wurden verwüstet.

Nach dem Gespräch mit dem Präsidenten traf Steinmeier auch dessen innenpolitischen Rivalen Abdullah, der zusammen mit Ghani die sogenannte Einheitsregierung bildet. Die gilt als zerstritten und ineffektiv. Geber wie Deutschland fordern zunehmend verärgert, dass die Regierungspartner angesichts der immer gefährlicheren Sicherheitslage im Land ihre Konflikte beilegen. Die radikalislamischen Taliban gewinnen landesweit an Macht und Boden.

Der Besuch war aus Sicherheitsgründen nicht angekündigt worden. Ebenfalls aus Sicherheitserwägungen nahm der Bundespräsident nur einen Teil seiner Delegation von Masar-i-Scharif nach Kabul mit.

(dpa/veke)
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