Großbritanniens Außenminister Boris Johnson blamiert sich im Radio-Interview

London · Zuerst stammelte er, dann bat er um etwas Zeit, schließlich wich er aus: Großbritanniens Außenminister Boris Johnson sollte im Radio ein Regierungsprogramm erklären. Er war damit überfordert.

 "Warten Sie eine Sekunde": Boris Johnson. (Archiv)

"Warten Sie eine Sekunde": Boris Johnson. (Archiv)

Foto: dpa, KW tba

Boris Johnson ist ein Phänomen: Der britische Außenminister legt einen peinlichen Auftritt nach dem anderen hin, und trotzdem — vielleicht auch deshalb — mögen die Briten ihn. Nun hat es der 53-Jährige womöglich übertrieben, als er dem Sender BBC ein desaströses Radio-Interview gab. Er sollte Auskunft zum Regierungsprogramm geben. Doch er brachte nur Gestammel heraus.

Radiomoderator Eddie Mair hatte ihn gefragt, was die britische Regierung dagegen unternehmen wolle, dass Schwarze von der Justiz diskriminiert und deutlich härter angegangen würden als Weiße. "Es gibt Maßnahmen, glaube ich, in dem Gesetzentwurf, der, glaube ich, einige von diesen Dingen behandelt", stammelte Johnson, brach dann kurz ab. "Warten Sie eine Sekunde." Dann ist zu hören, wie in Unterlagen geblättert wird. Die BBC veröffentlichte auf ihrer Seite eine Aufnahme des Interviews.

Das Interview war nicht Johnsons erstes Debakel. Er gilt als notorisch unorganisiert, unzuverlässig und impulsiv, beleidigte bereits Dutzende Staatsmänner — teils mit nicht jugendfreien Ausdrücken. Im Laufe seiner illustren Karriere sah es immer wieder so aus, als stolpere Johnson auf dem Weg nach ganz oben über sich selbst.

Nach seinem Studium am Balliol College in Oxford arbeitete er für die Tageszeitung "The Times", wurde aber wegen Zitate-Fälschung entlassen. Johnson schrieb für den "Daily Telegraph", war Herausgeber des konservativen Wochenblatts "The Spectator", bevor er seine politische Laufbahn begann.

In der Konservativen Partei hätte er schon 2005 Parteivorsitzender werden können. Eine seiner zahlreichen Affären machte den vierfachen Vater jedoch unwählbar. Stattdessen setzte sich sein Uni-Kumpel David Cameron durch und führte die Konservativen später in die Regierung.

Der exzentrische Blondschopf wurde 2008 Bürgermeister von London, gewann wieder an Beliebtheit, etwa mit einer neuen Version der Doppeldecker-Busse. Sein größter Coup war aber der Brexit. Johnson soll mehr als zehn Prozent der Wähler dazu gebracht haben, für den EU-Austritt zu stimmen.

Doch anstatt seinen ewigen Rivalen Cameron nach dessen Rücktritt zu beerben, gab "Mr. Brexit" an, nicht kandidieren zu wollen. Dabei hegt kaum jemand Zweifel daran, dass er es auf das höchste Amt abgesehen hat. Nach seinem blamablen Auftritt im Radio kursiert nun in den Medien, Johnson sei politisch erledigt. Man wird sehen.

Schon Cameron sagte: "Boris hat die Gabe, allen möglichen Arten von Schwerkraft zu trotzen."

(beaw)
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