Merkels USA-Reise Blind Date mit Obama und ein Angebot

Washington (RPO). US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel mühten sich redlich, zum Auftakt von Merkels zweitägiger USA-Reise inhaltliche Differenzen mit einem glänzenden Orden und reichlich Harmonie zu überdecken. Obama umschmeichelte die Kanzlerin gleich mit einem Dinner. Merkel will nun sogar in Libyen stärker helfen.

Kanzlerin Merkel besucht Washington
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In gewisser Weise ein Blind Date mit dem US-Präsidenten. Das war auch für die an Erfahrungen mit kreativen Staatschefs reiche Kanzlerin eine neue Erfahrung. Bis kurz vor ihrer Ankunft in Washington wusste Angela Merkel nicht, wohin sie der US-Präsident am Montag zu einem privaten Abendessen ausführen wollte. Merkel, kulinarisch durchaus flexibel, nahm es gelassen.

Und so viel war klar: Ein Wildschwein, wie es Angela Merkel medienwirksam vor einigen Jahren mit Obamas Vorgänger George W. Bush in Mecklenburg verspeist hatte und so ihre Verbundenheit mit Bush demonstrierte, würde Obama nicht aussuchen. Es wäre das falsche Symbol.

Zwei Stunden unter vier Augen

Die beiden Regierungschefs pflegen eine eher nüchtern-analytische Partnerschaft, hemdsärmelige Kumpeleien wie sie Bush und Merkel oder noch früher, Bill Clinton und Helmut Kohl, vorführten, passen nicht zu dem amtierenden deutsch-amerikanischen Führungs-Duo.

So fuhren um 19 Uhr Ortszeit der US-Präsident und die Regierungschefin in ihren tiefschwarzen Limousinen im Restaurant "1789" vor, einem Szene-Lokal, bekannt für seine Steaks und die "moderne amerikanische Cuisine", mitten im Studentenviertel Georgetown.

Knapp zwei Stunden nahm sich Obama für Merkel Zeit, unter vier Augen. Die wenigen engen Mitarbeiter, die Dolmetscherin für Notfälle (Merkels Englisch ist allerdings ziemlich passabel) und das Sicherheitspersonal, saßen höflich einige Tische weiter.

Protokollarische Ehre für die Kanzlerin. Ein privates Abendessen ist auch für Barack Obama, den bei symbolischen Gesten äußerst talentierten US-Präsidenten, eine besondere Würdigung.

Freiheitsmedaille für die Kanzlerin

Und der eigentliche Höhepunkt folgt ja erst am Dienstag, wenn der 49-jährige Amerikaner der 56-jährigen Deutschen bei einem seltenen Staatsdinner im Rosengarten des Weißen Hauses die Freiheitsmedaille überreicht, die höchste zivile Auszeichnung der USA.

250 handverlesene Gäste, von Ex-US-Außenminister Henry Kissinger bis TV-Moderator Thomas Gottschalk, sollen dabei sein. Helmut Kohl hat sie als einziger Deutscher bisher erhalten. Merkels einzigartiger Weg von der DDR-Wissenschaftlerin bis ins höchste Staatsamt des wiedervereinten Deutschlands sei eine "Inspiration" für alle Amerikaner und für ihn persönlich, huldigte Obama die Kanzlerin.

Der US-Präsident rollt der Kanzlerin bei ihrem sechsten Amerika-Besuch seit 2005 einen ungewöhnlich dicken roten Teppich aus. Es scheint, als wollten die beiden Chefs der größten und viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, ihre inhaltlichen Differenzen mit besonders blumigen Gesten vergessen machen. Doch so einfach ist es wohl nicht. Konflikte und Nicklichkeiten überlagern derzeit die transatlantischen Beziehungen.

"Not amused"

Die Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über den Militäreinsatz in Libyen hat den wichtigsten Bündnispartner kräftig irritiert. Vom Ende der Zuverlässigkeit deutscher Außenpolitik ist in amerikanischen Medien die Rede.

US-Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Bob Gates sollen "not amused" gewesen sein, dass die Deutschen lieber an der Seite Chinas und Russlands stehen als mit den Verbündeten USA, Frankreich und Großbritannien klare Kante in Libyen zu zeigen. Dass Obama die deutsche Hauptstadt bei seiner Europa-Reise vor zwei Wochen erneut mied und wohl bis zum Ende seiner Amtszeit meiden wird, spießt die deutsche Opposition genüsslich auf.

Auch in der Wirtschaftspolitik, Stichwort deutsche Exportüberschüsse, und in der Nahost-Politik gibt es immer wieder Unstimmigkeiten zwischen den Partnern. Von der amerikanischen Verwunderung über Merkels Atompolitik ganz zu schweigen. Obama lässt gerade wieder zwei neue Meiler bauen.

Offener und direkter Austausch

Angela Merkel weiß das alles natürlich. Man sei eben nicht immer einer Meinung, aber pflege einen sehr offenen und direkten Austausch, heißt es in ihrem Umfeld. Das müsse unter Freunden möglich sein. Es gebe keine wesentlichen Probleme. Und doch ist in der deutschen Delegation die Hoffnung spürbar, dass die Verleihung der "Freiheitsmedaille" und der intensive, persönliche Austausch der beiden Staatschefs wieder etwas mehr Heimeligkeit in die unterkühlten Beziehungen bringen könnte.

Merkel, die von fünf Bundesministern (Verteidigungsminister Thomas de Maiziere, Finanzminister Wolfgang Schäuble, beide CDU, FDP-Vizekanzler Philipp Rösler, FDP-Außenminister Guido Westerwelle und Hans-Peter Friedrich, CSU) begleitet wird, hat vorsichtshalber auch ein inhaltliches Angebot im Gepäck.

So will Deutschland Experten für den Aufbau von Infrastruktur und Elektrizitätsnetzen sowie Polizeiausbilder nach Libyen entsenden, wie aus Regierungskreisen verlautete. Auch dürfte die Kanzlerin dem amerikanischen Präsidenten versichern, dass er von Deutschlands Libyen-Veto keine Rückschlüsse auf künftige Entscheidungen bei militärischen Einsätzen ziehen müsse. "Libyen ist ein Einzelfall, es kommen noch andere Entscheidungen", sagte ein den USA wohlgesonnener Bundesminister am Rande der Reise.

Deutschland wird gebraucht

Der scheidende deutsche Botschafter Klaus Scharioth vermied es in einer kurzen Ansprache bei einem Empfang am Montagabend nicht, die "Erwartungen" der Amerikaner deutlich zu betonen. Und Merkel ahnt wohl auch, dass mit den neuen Krisenherden in der Welt, von Syrien bis Sudan, auch die militärischen Anfragen an die NATO wieder auf die Tagesordnung kommen.

Die arabischen Konfliktstaaten Syrien und Jemen, aber auch das militärische Engagement in Afghanistan, sollen jedenfalls breiten Raum in den diversen bilateralen Ministergesprächen am Dienstag einnehmen, heißt es. Obamas geplante Milliarden-Einschnitte im US-Verteidigungsetat werden auch deutsche Truppen mit neuen Einsätzen bezahlen müssen. Früher oder später.

So dürften Obamas Harmoniegesten auch ein kräftiges Signal an Kanzlerin Merkel und ihre Delegation gewesen sein. Deutschland wird gebraucht. Künftig eher mehr als weniger.

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