Barack Obama zu Besuch bei Raúl Castro Historisches Treffen, bizarrer Moment

Havanna · Die Besucher der Pressekonferenz trauten ihren Augen nicht. Was um alles in der Welt tat da Raúl Castro mit Barack Obama? Der kubanische Staatschef wuchtete tatsächlich den seltsam schlaffen Arm seines amerikanischen Kollegen in die Höhe. Das Netz reagiert begeistert.

 So oder so ein Moment für die Geschichtsbücher: Raul Castro liftet Obamas Arm.

So oder so ein Moment für die Geschichtsbücher: Raul Castro liftet Obamas Arm.

Foto: ap

Als Gif geht der reichlich bizarre Moment der doch eigentlich historischen Pressekonferenz in Kuba um die Welt. Man kann ihn sich nicht oft genug anschauen. Es ist das Ende eines Termins, der an sich schon ungewöhnlich war, weil Castro sich tatsächlich live vor laufender Kamera von amerikanischen Journalisten mit Fragen zur Lage der Menschenrechte und politischen Häftlinge löchern ließ.

Wie ein toter Fisch

Möglicherweise war er deswegen darauf aus, unter allen Umständen zu demonstrieren, dass er nach wie vor die Dinge in und um Kuba unter Kontrolle hat. Als er auf den US-Präsidenten für den Handschlag zuging, schnappte sich der 84-jährige, deutlich kleinere Mann entschlossen das Handgelenk von Obamas linkem Arm und reckte ihn in die Höhe.

Die Szene war weit entfernt von dem, was man sonst bei Pressekonferenzen dieser Art erwartet. Diplomatische Zurückhaltung eben. Symbolisch aufgeladene Gesten, bei denen sich alle darüber bewusst sind, dass diese Bilder Politik machen und Geschichte schreiben dürften.

Stattdessen eine Vorstufe von Slapstick. Auch weil Obama nicht so recht mitspielen will. Kraftlos, marionettenhaft, fast wie gelähmt lässt er die Hand wie einen toten Fisch herunterhängen, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihm diese Form kubanischer Fremdbestimmung nicht so ganz recht ist. Dennoch machte er gute Miene dazu und lachte sein Obama-Lachen.

Bei Twitter wird umgehend spekuliert. War Obamas Arm vielleicht eingeschlafen, weil er eine Weile darauf gesessen hatte? Oder hatte Castro in letzter Sekunde einen Versuch Obamas abgewehrt, ihn zu umarmen?

Offen-kritische Fragen

Dabei hätte diese Pressekonferenz auch ohne den verrückten Arm-Moment Geschichte geschrieben. Kritische Nachfragen und Zweifel an der Autorität Castros und seines Bruders und Vorgängers Fidel wären in Kuba bislang für die allermeisten undenkbar gewesen. Nun aber sah sich Castro unter Druck, musste sich kritischen Fragen stellen.

"Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas mal sehe", sagt Marlene Pino, eine 47-jährige Ingenieurin. "Es ist schwierig, das zu verdauen, was hier passiert." Für Straßenverkäufer Ricardo Herrera ist das Ganze gar "wie in einem Film, der aber auf dem echten Leben basiert".

Besonders in Erinnerung dürfte jener Moment bleiben, in dem Castro im Palast der Revolution andeutet, dass Havanna in Sachen Menschenrechte nicht immer perfekt sei. Aber dies sei ja kein Land. Wichtig sei, dass alle sich um Besserung bemühten, sagte Castro. Dann ging der Staatschef in den Verteidigungsmodus über: Im Übrigen unterstütze seine Regierung wichtige menschenrechtliche Themen: Bereitstellung universaler, freier Bildung und Gesundheitsversorgung.

Eine Frau hält geschockt die Hand vor den Mund

Die Worte machen in einem Café in Vedado, einem Viertel im Zentrum von Havanna, mächtig Eindruck. Dutzende Einheimische und Touristen verfolgen Castros und Obamas Einlassungen fast schon ehrfürchtig. Eine Frau hält sich geschockt die Hand vor den Mund.

"Es ist sehr bedeutsam, das von unserem Präsidenten zu hören, dass er einräumt, dass nicht alle Menschenrechte in Kuba respektiert werden", sagt Raúl Rios. "Wir leben in historischen Zeiten, die Vereinigten Staaten und Kuba. Das hätte sich früher niemand vorstellen können. Ich denke, das markiert ein Vorher und Nachher", fügt der 47-jährige Fahrer hinzu.

Dass sich Präsident Castro einer Pressekonferenz stellt, ist in der Tat extrem selten. Hin und wieder nimmt der 84-Jährige aber spontan Fragen von Reportern entgegen, wenn ihm danach ist. Anders als sein älterer Bruder Fidel, der für stundenlange Monologe berüchtigt war, gilt Raúl Castro jedoch als ein Redner, der in der Öffentlichkeit eher vorsichtig auftritt.

Wortgefecht mit CNN-Reporter

Zwar unterstehen fast alle Medien in Kuba der Kontrolle von Regierung und kommunistischer Partei, doch finden sich auch eine Handvoll von unabhängigen Online-Portalen. Etwas kritischer eingestellte wie die Webseite "14ymdeio" der Dissidentin und Bloggerin Yoani Sánchez sind auf der Insel allerdings blockiert.

Für viele Inselbewohner scheinen aber vor allem Plagen des Alltagslebens im Vordergrund zu stehen: Korruption, Güterengpässe, niedrige Gehälter etwa. Mit erklärten politischen Gegnern des Systems solidarisieren sich aus Sicht von Beobachtern eher wenige Kubaner.

"Er wirkte nervös"

Vielleicht ist auch daher das Echo zu einem Wortgefecht zwischen Castro und dem kubanisch-amerikanischen CNN-Reporter Jim Acosta bei der Pressekonferenz eher zwiegespalten. Der Journalist wollte von dem Staatschef wissen, was mit den politischen Gefangenen sei. Darauf entgegnete Castro: "Wenn dieses Treffen vorbei ist, können Sie mir einen Liste mit politischen Gefangenen geben, und wenn wir diese politischen Gefangenen haben, werden sie noch vor Ende des Abends freigelassen."

Der 41-jährige Künstler Alexander Galvez war indes nicht sonderlich von Castros Gebaren bei der Pressekonferenz beeindruckt. Der Präsident fummelte an den Kopfhörern herum und beendete die Runde dann abrupt mit den Worten: "Ich denke, das ist genug." Seine Antworten hätten aber einiges zu wünschen übrig gelassen, sagte Galvez. "Raul wirkte auf mich echt nervös. Ich fand ihn auch etwas zugeknöpft."

(pst/ap)
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