Obamas Wahl für Supreme Court Merrick Garland — ein Richter für den Mittelweg

Washington · Im letzten Jahr seiner Amtszeit und mitten im Wahlkampf hat US-Präsident Barack Obama eine der wichtigsten Entscheidungen seiner Präsidentschaft getroffen: Neuer Richter am Obersten Gerichtshof soll Merrick Garland werden. Eine überaus clevere Wahl.

 In seiner Nominierungsrede im Rosengarten des Weißen Hauses, versagte Garland mehrfach die Stimme.

In seiner Nominierungsrede im Rosengarten des Weißen Hauses, versagte Garland mehrfach die Stimme.

Foto: dpa, mr sh

Der 63-jährige Merrick Garland genießt auch unter den Republikanern einen sehr guten Ruf. Gleichwohl dürfte die Neubesetzung am Supreme Court zu einem der großen Streitthemen des Wahlkampfes werden.

Garland soll in dem neunköpfigen Richtergremium Antonin Scalia nachfolgen, der im Februar gestorben war. Die Republikaner hatten allerdings bereits kurz nach dem Tod Scalias angekündigt, jedwede Nominierung des Präsidenten für den freigewordenen Sitz zu blockieren. Sie fordern, dass wegen der weitreichenden Auswirkungen erst der Nachfolger Obamas diese Personalie regelt. Die Richter am Supreme Court werden auf Lebenszeit ernannt, ihre Entscheidungen haben oft weitreichende Auswirkungen auf die politisch-juristische Grundausrichtung des Landes.

Die Republikaner haben es tatsächlich in der Hand, die Nominierung Garlands zu stoppen — denn der von ihnen dominierte Senat muss dafür grünes Licht geben. Doch würden sie sich mit einer solchen Blockade dem Vorwurf aussetzen, das Oberste Gericht lahmlegen zu wollen. Denn Obamas Amtszeit endet erst im Januar 2017 — und seit dem Tod Scalias herrscht am Obersten Gericht ein Patt zwischen progressivem und konservativem Flügel.

Die jetzt getroffene Personalwahl des Präsidenten könnte den Republikanern zusätzliche Argumentationsnöte bescheren. Denn Garland stand während seiner knapp 20-jährigen Laufbahn als Bundesrichter am Berufungsgericht stets für einen Mittelweg zwischen konservativen und linken Positionen. Obama pries Garland am Mittwoch als einen der "scharfsinnigsten Juristen" des Landes, der im Kongress von führenden Vertretern beider respektiert werde.

Seine Reputation als herausragender Jurist erwarb sich Garland schon in seiner Zeit als Staatsanwalt. Er war damals an der Verfolgung von Attentätern beteiligt, deren Verbrechen das Land traumatisiert hatten. So koordinierte er die Anklage gegen den "Unabomber" Ted Kaczynski, der Ende der neunziger Jahre wegen einer Serie von Bombenanschlägen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Auch der Fall des Oklahoma-Attentäters Timothy McVeigh, der 2001 wegen der Ermordung von 168 Menschen hingerichtet wurde, gehörte zu seinen Dossiers.

Garland wuchs im Mittelweststaat Illinois auf, sein Vater war ein kleiner Geschäftsmann. Dank eines Stipendiums konnte er in Harvard studieren, wo er während der Sommerferien in einem Schuhladen arbeitete, um über die Runden zu kommen. Nach seinem Berufsanfang als Gerichtsangestellter und in einer Anwaltskanzlei wurde er 1989 Bundesanwalt in Washington und später hochrangiger Strafverfolger im Bundesjustizministerium. 1997 wechselte er dann die Seiten und wurde Richter am Bundesberufungsgericht in der Hauptstadt.

In seiner Nominierungsrede im Rosengarten des Weißen Hauses, bei der ihm mehrfach die Stimme versagte, bekannte sich Garland nachdrücklich zum Prinzip der Überparteilichkeit. Die Menschen müssten darauf vertrauen können, "dass die Entscheidungen eines Richters vom Gesetz und nur dem Gesetz" und nicht etwa von dessen persönlichen Präferenzen bestimmt würden. An diesem Kurs wolle er auch am Obersten Gericht festhalten.

Dennoch muss sich Garland auf scharfen Gegenwind gefasst machen. Der Chef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, kündigte bereits kurz nach Bekanntgabe der Nominierung Widerstand seiner Partei an. Er beharrte darauf, dass erst der nächste Präsident über den neuen Richter entscheiden solle. Dabei gehe es "um ein Prinzip und nicht um eine Person" — die Stimme der Wähler müsse bei dieser Entscheidung gehört werden.

(gol/AFP)
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