Barack Obama trifft auf Wladimir Putin Ein kleiner Hinweis lässt noch Raum für Kompromisse

New York · Bei der UN-Vollversammlung widersprechen sich Barack Obama und Wladimir Putin diametral. Der US-Präsident lässt keinen Zweifel daran, dass er eine Lösung mit dem syrischen Diktator Assad ausschließt. Nur ein rhetorischer Kniff schafft möglicherweise Spielräume.

Baschar Al-Assad – vom Hoffnungsträger zum Zyniker
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Das ist Baschar Al-Assad

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Kaum hat er sich an das prächtige Pult aus grünem Marmor gestellt, spricht Barack Obama auch schon von den starken Männern, die Konflikte verursachen, die Unschuldige in Massen aus dem eigenen Land treiben und ein Vakuum schaffen, das brutale Terroristen mit ihrem apokalyptischen Kult füllen.

Schon mit den ersten Sätzen wird klar: Einen Kompromiss, der Baschar al-Assad nach vier Jahren Bürgerkrieg wieder fester im Sattel sitzen lässt, wird es mit den Amerikanern nicht geben. Kurz bevor er das Podium verlässt, greift Obama das Motiv noch einmal auf. Die Geschichte, sagt er, sei übersät mit Beispielen falscher Propheten und gefallener Imperien, die geglaubt hätten, dass der Starke immer Recht bekomme.

Dazwischen liegen 45 Redeminuten, in denen der US-Präsident das Bild einer Welt skizziert, in der nur die Demokratie Stabilität garantieren kann. Von menschlicher Würde spricht er und stellt das Verhalten der Deutschen in der Flüchtlingskrise heraus. Zitiert einen Syrer, der mit herzlichen Worten — und einer Unterkunft — in Hamburg begrüßt wurde: "Wir spüren, es gibt immer noch Menschen, die andere Menschen lieben".

Bisweilen werde der Ruf nach dem Diktator laut, der im Chaos für Ordnung sorgen möge, sagt Obama. Nach dieser Logik "sollen wir Tyrannen wie Baschar al-Assad unterstützen, weil die Alternative ganz sicher schlimmer wäre". In Wahrheit würden die starken Männer von heute zum Funken der Revolution von morgen, ruft er die Anfänge des syrischen Bürgerkriegs in Erinnerung.

Eine Rückkehr zum Status Quo wird es mit den USA nicht geben

Die USA seien bereit, mit allen Staaten zusammenzuarbeiten, um das Blutvergießen zu beenden, Russland und Iran eingeschlossen. Doch eine Rückkehr zum Status quo, wie er vor Kriegsbeginn herrschte, könne es nicht geben. Gewiss, der Realismus gebiete Kompromisse. Realistisch zu sein erfordere aber auch einen "geregelten" Übergang von Assad hin zu einem neuen Staatsführer, hin zu einer Regierung, die alle politischen Kräfte Syriens einschließe.

Es ist eine vorweggenommene Antwort auf Wladimir Putin, der eine Stunde nach ihm an der Reihe ist, der zum ersten Mal seit zehn Jahren am New Yorker East River redet - und deutlich macht, dass er in Assad einen Stabilitätsfaktor sieht. Es sei ein schwerer Fehler, nicht mit der syrischen Regierung zu kooperieren "und mit ihrer Armee, die tapfer gegen den Terrorismus kämpft", sagt der russische Präsident. Im Nahen Osten habe aggressive ausländische Einmischung nur zum Kollaps nationaler Institutionen geführt, "statt eines Triumphs der Demokratie haben wir Gewalt, Armut und eine soziale Katastrophe bekommen".

In den Reihen des "Islamischen Staats" kämpften frühere irakische Soldaten, die nach der Invasion des Jahres 2003 auf der Straße gelandet seien. Andere kämen aus Libyen, einem weiterem Land mit zerstörtem Staatswesen. Nach dem Muster der Anti-Hitler-Koalition des Zweiten Weltkriegs, fordert der Kremlchef, müsse sich eine breite Front gegen jene zusammenschließen, "die wie die Nazis das Böse und den Hass säen".

Putin reist mit einem kleinen Coup an

Obama und Putin im Rededuell: Eigentlich war es nur eine Art rhetorisches Warmlaufen für das bilaterale Gespräch am Montagabend. Es ist das erste Mal seit zwei Jahren, dass sich die beiden treffen, abgesehen von einer eher beiläufigen Begegnung am Rande des G-20-Gipfels im vergangenen November in Australien. Geht man allein nach der Atmosphäre, steht es unter keinem günstigen Stern.

Putin reiste, sehr zum Ärger Obamas, mit einem kleinen Coup im Gepäck nach Manhattan. Als sich Russland mit dem Irak, mit Iran und Syrien auf den Austausch von Geheimdienstinformationen über den "Islamischen Staat" (IS) verständigte, wusste man in Washington nichts über die Abmachung, die am Sonntag in Bagdad verkündet wurde. Ausgerechnet in einer Stadt, in der die Amerikaner nach dem Einmarsch eine ihrer weltgrößten Botschaften errichtet hatten. "Richtig koordiniert ist das alles nicht", kleidete Außenminister John Kerry seinen Unmut in diplomatische Worte.

Gibt es Raum für einen russisch-amerikanischen Ausgleich? Oder beschränkt sich alles auf einen bloßen Austausch von Argumenten? Einen gewissen Spielraum scheint es zu geben, Optimisten verweisen darauf, was Obama in seiner Rede nicht sagt. Diesmal verzichtet er auf das "Assad must go", die Formel, mit der er seit vier Jahren den Abgang des Autokraten verlangt. Wo sich Washington und Moskau vielleicht treffen könnten, hat Kerry vage angedeutet: Assad müsse vielleicht nicht gleich zu Beginn von Friedensverhandlungen zurücktreten, "nicht am ersten Tag, im ersten Monat, was auch immer".

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