Eklat um abgesagtes Treffen Sigmar Gabriel legt im Streit mit Netanjahu nach

Berlin/Jerusalem · Kurz vor dem Israel-Besuch von Bundespräsident Steinmeier hat Außenminister Gabriel den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu kritisiert. "Unter Demokraten stellt man sich keine Ultimaten", sagte Gabriel und verteidigte sein umstrittenes Treffen mit regierungskritischen Gruppen.

 Außenminister Sigmar Gabriel (Archiv).

Außenminister Sigmar Gabriel (Archiv).

Foto: dpa, bvj vge hjb

"Unter Demokraten muss es möglich sein, sich auch mit regierungskritischen Organisationen zu treffen", sagte Gabriel der "Bild"-Zeitung. Er würde wieder genauso handeln. Der deutsche Außenminister hatte während seines Israel-Besuchs mit Vertretern der Organisationen Breaking the Silence und B'Tselem gesprochen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte daraufhin ein Treffen mit Gabriel ab und warf ihm Instinktlosigkeit vor. Breaking the Silence und B'Tselem stehen Israels Vorgehen im Westjordanland kritisch gegenüber.

"Unter Demokraten stellt man sich keine Ultimaten", sagte Gabriel weiter. "Der israelische Premierminister wollte mich dazu zwingen, ein Treffen mit unbescholtenen israelischen Bürgern abzusagen, weil diese seiner Politik gegenüber den Palästinensern kritisch gegenüber stehen. Nicht nur aus unserer Sicht verstößt die israelische Siedlungspolitik gegen das Völkerrecht und ist ein Hindernis für den Friedensprozess, diese Politik der Regierung Netanjahu ist auch in Israel hoch umstritten. Da ist es für mich selbstverständlich, auch die Kritiker zu hören."

Auf die bevorstehende Israel-Reise von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angesprochen, sagte Gabriel: "Der Bundespräsident ist in einer ganz anderen Rolle als ich. Ich habe keinen Zweifel, dass der Bundespräsident die richtigen Worte finden wird, um die Situation zu beruhigen."

Mehr als 20 bekannte Israelis hatten sich inständig bei Deutschland bedankt, weil es der Zivilgesellschaft in ihrem Land beistehe. In ihrem an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gabriel gerichteten Brief hieß es: "Wir sind eine Gruppe von Israelis, die tief besorgt über die Zukunft unseres Landes sind." Professor David Harel, Vize-Präsident der Israelischen Akademie der Wissenschaften, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, das Schreiben sei dem deutschen Botschafter übermittelt worden. Unter den Unterzeichnern sind einflussreiche israelische Wissenschaftler, Künstler, Politiker und Diplomaten.

Man sei "zutiefst dankbar" für Gabriels Verhalten bei dessen jüngstem Besuch in Israel, sagte Harel, Träger des Israel-Preises (2004), der höchsten Auszeichnung des Landes. Gabriel hatte sich mit Vertretern der Gruppen Breaking the Silence (Das Schweigen brechen) und B'Tselem getroffen. Beide kritisieren Israels Siedlungspolitik in den besetzten Palästinensergebieten. Daraufhin hatte Netanjahu ein geplantes Treffen mit Gabriel abgesagt. Merkel stärkte Gabriel nach dem Eklat den Rücken.

"Wir begehen mit großer Trauer den bevorstehenden 50. Jahrestag der Besatzung", hieß es in dem Brief. "Im vergangenen halben Jahrhundert hat unser geliebtes Land Millionen von Palästinensern grundlegende Freiheiten und Rechte verweigert und Siedlungen gebaut, die jeglicher Lösung dieses Konflikts im Wege stehen." Zivilgesellschaftliche Aktivitäten wie jene der Gruppen Breaking the Silence, B'Tselem und Peace Now seien "ein Zeichen der Hoffnung inmitten der Verzweiflung".

Unterzeichnet haben 23 bekannte Israelis, unter anderem Ilan Baruch, Israels früherer Botschafter in Südafrika, Michael Ben Jair, der ehemalige Generalstaatsanwalt, Avraham Burg, früherer Parlamentspräsident, die Soziologin Eva Illouz, der Bildhauer Dani Karavan und der Dramatiker Joshua Sobol.

(wer/dpa)
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