Kaukasus-Staat Aserbaidschan kauft sich ein Image

Berlin/Baku · Als Ausrichter des Eurovision Song Contest machte der Kaukasus-Staat auf sich aufmerksam. Das autoritäre Regime buhlt um die Gunst des Westens.

Kaukasus-Staat: Aserbaidschan kauft sich ein Image
Foto: Ferl

Wie großartig, wie modern Aserbaidschan ist, das sollte der Westen durch die Europaspiele in Baku im Juni dieses Jahres erfahren. Das autokratisch regierte Land am Kaspischen Meer, wegen fehlender Menschenrechte von der UN regelmäßig kritisiert, soll Schätzungen zufolge knapp zehn Milliarden Euro für die sportliche Imagewerbung ausgegeben haben. Alleine die Eröffnungs-Show soll doppelt so teuer wie der Olympia-Auftakt 2012 in London gewesen sein. Als Stargast kam Lady Gaga eingeflogen.

Kurz zuvor hatten Vertreter der aserbaidschanischen Staatsmedien auf einem Europäischen Medienkongress versucht, Interviewaussagen von westlichen Journalisten zu den "großartigen Spielen" zu bekommen. Das Image des Landes im Westen soll besser werden, räumten die Journalisten ein.

Die Bemühungen waren kaum von Erfolg gekrönt.Europas Staatschefs blieben der Veranstaltung fern (auch Kanzlerin Merkel sagte ab), die Medienresonanz war dünn. Stattdessen kursierte im Internet ein Video, in dem der Staatssender angebliche "britische Touristen" die Veranstaltung als "fantastisch" und das örtliche Essen als "wirklich gut" feiern ließ. Der Journalist Emin Milli enthüllte das Video als Fälschung. Seitdem muss er um sein Leben fürchten. "Präsident Alijew hat mir persönlich über seinen Sportminister eine Todesdrohung geschickt", sagte Milli nun dem "Deutschlandradio". Er steht unter Polizeischutz.

Der 36-Jährige saß 16 Monate in Baku im Gefängnis, weil er ein satirisches Video über die angeblich korrupte Elite seines Landes veröffentlichte. Bis 2005 engagierte er sich als Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Baku. Doch die Ermordung eines kritischen Chefredakteurs ließ ihn umdenken und das Land verlassen, inzwischen betreibt er von Berlin aus den Kanal "Meydan-TV". Seine Sendungen schauen Hunderttausende Landsleute. Die Regierung in Baku bezeichnet er als "neo-totalitär".

Aserbaidschan ist nach dem Zerfall der Sowjetunion fest in der Hand der Alijew-Familie. Staatspräsident Ilham Alijew wurde 2012 von der OCCRP, einem Zusammenschluss investigativer Journalisten in Sarajevo und Bukarest, zum "korruptesten Mann des Jahres" gewählt. In Aserbaidschan sitzen rund 100 Oppositionelle, Journalisten und Menschenrechtler im Gefängnis. Die Öl- und Gasmilliarden der Herrscher-Familie werden unter anderem für die weltweite Imagekampagne eingesetzt. Die Nähe zur westlichen Elite ist wichtig. So wirbt die deutsche Internetseite des staatlichen Energiekonzerns Socar mit dem CDU-Wirtschaftsrat, auf dessen Kongress man eingeladen gewesen sei. Fotos von Kanzlerin Angela Merkel sind zu sehen. Weiter unten Fotos von einem Kongress mit dem Düsseldorfer Energiekonzern Eon und ein Symposium in der feinen Parlamentarischen Gesellschaft. Die Botschaft: Wir sind ein Land des Westens. Der frühere Handwerks-Generalsekretär Hans-Eberhard Schleyer ist Chef des Deutsch-Aserbaidschanischen Forums (DAF), das die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der Länder verbessern will. Weitere Vorstände sind unter anderem der Wissenschaftler Udo Steinbach, der Ex-"Bild"-Journalist und jetzige PR-Berater Hans-Erich Bilges und Ex-BND-Chef August Hanning. Klangvolle Namen bietet das Forum auch in seinem Kuratorium. Da stellen etwa Ex-Wirtschaftsminister Michael Glos, der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen sowie die Bundestagsabgeordneten Gernot Erler (SPD) und Michael Fuchs (CDU), Ex-Wehrbeauftragter Reinhold Robbe (SPD) und der Afrika-Beauftragte der Kanzlerin, der frühere DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke, Namen und Expertise in den Dienst der aserbaidschanischen Sache. Nicht immer mit gutem Gewissen. "Ich bin vor längerer Zeit gefragt worden und habe, was man kritisieren kann, nicht Nein gesagt", sagt Nooke. Er wolle nicht rechtfertigen, was die Regierung in Baku mache. Es gehe darum, die Dinge positiv zu verändern. Sein Engagement werde er aber "überdenken", kündigt Nooke an.

SPD-Mann Robbe sieht Europa in besonderer Verantwortung für die geostrategisch wichtige Region. Man müsse sich doch um ein so europa-affines Land kümmern, damit es nicht "anfällig wird für islamistische Tendenzen". Robbe beteuert, "keinen Cent vom Kuratorium" erhalten zu haben. Auch Bilges, der noch vor drei Jahren als eine Art Schlüsselfigur für den Kontakt zum Westen galt, weist darauf hin, dass er und seine Firma Consultum Communications bereits seit Ende 2013 keine Beratungstätigkeit mehr für Aserbaidschan ausübe.

Freunde Aserbaidschans finden sich auch in der "Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen". Deren Geschäfte führt Eduard Lintner (CSU), Ex-Staatssekretär im Bundesinnenministerium und seinerzeit in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates auch mit Aserbaidschan befasst. Nun ist er so etwas wie Alijews Kontaktgestalter: "Wir organisieren Gespräche zwischen Politikern und Treffen von Experten mit hochrangigen Entscheidungsträgern," so die Selbstbeschreibung.

Aufsehen erregte der TV-Sender TV.Berlin rund um die Europa-Spiele mit einer ausgesucht freundlichen Berichterstattung über Aserbaidschan, wie der Medienkritiker Stefan Niggemeier herausfand. Anfragen nach möglicher Unterstützung durch Aserbaidschan blieben unbeantwortet. Dabei ebbt die Kritik nicht ab. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International dokumentieren eine "systematische Unterdrückung der Zivilgesellschaft", berichten von Drangsalierung und willkürlichen Verhaftungen von Oppositonellen. Dabei urteilte auch der Bundestag in einer Resolution, dass sich die Menschenrechtslage seit Alijews Wiederwahl sogar "deutlich verschlechtert" habe.

Wenn westliche Medien darüber berichten, klagt Bakus Botschaft in Berlin über "Schmutzkampagnen". In Regierungskreisen wird die Geschichte erzählt, dass Alijew bei seinen Gesprächen mit Spitzenpolitikern, er traf im Januar auch Bundeskanzlerin Merkel, schon mal stapelweise Zeitungsausschnitte auf den Tisch legt und Berichte wörtlich zitiert, um dahinter gesteuerte Kampagnen gegen ihn zu wittern.

Seine Gesprächspartner versuchen ihm dann das Funktionieren von Pressefreiheit nahezubringen. Bislang offenbar vergeblich.

(brö / may-)
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