Konflikt um Berg-Karabach Stellvertreterkrieg im Kaukasus

Düsseldorf/Moskau · Der ungelöste Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach ruft die internationale Diplomatie auf den Plan. Kampfhandlungen mit vielen Toten und Verletzten haben die Welt aufgeschreckt.

 Ein Armenier steht vor einer Haubitze in der Krisenregion.

Ein Armenier steht vor einer Haubitze in der Krisenregion.

Foto: ap

Doch es waren diesmal nicht die bekannten Kriege des Nahen und Mittleren Ostens, die den Politikern und Diplomaten Sorgenfalten auf die Stirn trieben. Sondern ein Konflikt, um den es jahrzehntelang still gewesen war: Berg-Karabach.

Armenien und Aserbaidschan: Krieg um Berg-Karabach
Foto: Schnettler

UN-Generalsekretär warnt

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte nach den heftigen Gefechten zwischen Armenien und dessen Nachbarn Aserbaidschan um die Kaukasusregion vor einer weiteren Eskalation. Er sei besorgt über den Einsatz schwerer Waffen und die hohen Opferzahlen, ließ Ban die Welt wissen. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte ein sofortiges Ende der Gewalt. Seine Amtskollegen in Washington und Moskau taten es ihm gleich.

Nur der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan verfolgte andere Pläne. Bei seinem Besuch in den USA sicherte er Aserbaidschan Unterstützung "bis zum Ende" zu. Damit stellt sich Erdogan mittelbar auch gegen Russland, das Armenien unterstützt. Mindestens 30 Soldaten und ein Kind waren bei Gefechten am Wochenende umgekommen. Die Regierung Aserbaidschans erklärte zwar gestern, sie wolle die Kämpfe einseitig einstellen. Das wurde von internationalen Beobachtern aber bezweifelt.

Am Montag versetzte Aserbaidschan nach eigenen Angaben seine Armee in Gefechtsbereitschaft. Einheiten aller Waffengattungen sollten "vernichtende Schläge" vorbereiten, falls die feindliche Seite ihre Angriffe nicht einstelle, teilte das Verteidigungsministerium in Baku mit. Aserbaidschan rufe Armenien erneut mit Nachdruck auf, nicht auf die Zivilbevölkerung zu schießen. Die Führung der international nicht anerkannten Region Berg-Karabach warf ihrerseits Aserbaidschan Aggression vor. Seit dem Aufflammen der Kämpfe am Samstag seien 20 armenische Soldaten getötet worden. Aserbaidschan hatte die eigenen Verluste mit 18 Toten angegeben.

Berg-Karabach deutlich kleiner als Schleswig-Holstein

Berg-Karabach ist klein - um rund ein Fünftel kleiner noch als Schleswig-Holstein. "Gott hat Karabach erschaffen, um den Menschen zu zeigen, wie das wahre Paradies aussieht" - davon sind viele der heute 150.000 Einwohner dieser Gebirgsregion fest überzeugt. Die meisten von ihnen sind armenische Christen. Karabach bedeutet "schwarzer Garten" auf Deutsch. Das international gebräuchlichere Nagorny Karabach ist der Name, den der Moskauer Kolonialherr der Region einst verlieh. Die Armenier, die mehrheitlich in den letzten 200 Jahren diesen Gebirgsflecken bewohnten, nennen ihn Arzach.

Seit 100 Jahren brechen regelmäßig Konflikte zwischen den christlichen Armeniern und den muslimischen Aseris aus. In den 1920er Jahren schlug Moskau Berg-Karabach der Sowjetrepublik Aserbaidschan zu. Damals lebten mehr als 90 Prozent Armenier in Karabach.

Bewegte Geschichte

Kurz darauf verlieh Moskau dem Gebiet den Status einer autonomen Region innerhalb der UdSSR, zu der auch Aserbaidschan gehörte. Was nach außen hin wie eine gerechtere Nationalitätenpolitik aussah, wirkte nach innen wie ein Spaltpilz. Weder die Armenier waren mit dieser Lösung zufrieden, da sie von Baku abhängig blieben, noch die türkischsprachigen Aseris, die die Autonomie Nagornij Karabachs als Fremdkörper empfanden.

1988 brach der Konflikt der Separatisten um Berg-Karabach erneut auf. Dieses Mal mit einer Gewalt, die auch die Republiken Armenien und Aserbaidschan erfasste. Auf beiden Seiten fielen Armenier und Aseris Pogromen zum Opfer. Nach dem Zerfall der Sowjetunion erklärte sich 1991 die Republik Karabach endgültig für unabhängig. Kein Staat der internationalen Gemeinschaft erkannte das neue Gebilde bisher an. Es wird weiter als Teil Aserbaidschans angesehen. Auch Moskau vermied bisher diesen Schritt.

Der Unabhängigkeitserklärung folgte ein erbitterter Krieg, der an die 30.000 Todesopfer forderte und mehr als eine Million Menschen aus ihrer Heimat vertrieb. Russland vermittelte 1994 einen Waffenstillstand. Einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht. Berg-Karabach blieb aber unter eigener Verwaltung mit Sitz in der Gebietshauptstadt Stepanakert. Armenische Separatisten halten auch heute noch einige aserbaidschanische Gebiete im Grenzgebiet besetzt. Berg-Karabach wurde zu einem der ersten eingefrorenen Konflikte auf dem Territorium der früheren Sowjetunion.

Ohne Mutterland kaum lebensfähig

Ohne die Hilfe vom Mutterland Armenien wäre die nicht anerkannte Republik kaum lebensfähig. Eriwan liefert Waffen und Munition und bestreitet den Haushalt der Bergrepublik. Armenien zählt zu den letzten Verbündeten Moskaus im südlichen Kaukasus. Allerdings kriselt es seit dem russischen Ukrainekrieg auch in Moskaus Beziehungen zu Eriwan. Armeniens Führungsschicht ist mit Karabach auf Engste verwoben.

Die Entwicklungen überwacht seit 1994 eine Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, der Russland, die Vereinigten Staaten und Frankreich angehören. Sie büßte aber zuletzt an Bedeutung ein und ist nur noch ein organisatorisches Gremium, das die Präsidenten bediene. Direkten Einfluss können nur Washington und Moskau ausüben.

Selbst die Vereinten Nationen in New York haben bereits vier Resolutionen zu Berg-Karabach verabschiedet. Keine von ihnen konnte den Konflikt bislang eindämmen.

(RP)
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