Internationale Beziehungen Angela Merkel auf der Suche nach Verbündeten

Berlin · ANALYSE Angela Merkel ist zurück auf internationaler Bühne. Aber der Kreis ihrer Verbündeten ist so klein wie nie - schweres Gepäck für die nächsten Jahre.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (Archivbild vom 16.03.2018).

Bundeskanzlerin Angela Merkel (Archivbild vom 16.03.2018).

Foto: rtr, HAN/

Angela Merkel ist zurück auf der internationalen Bühne. Aber der Kreis ihrer Verbündeten ist so klein wie nie - schweres Gepäck für die nächsten Jahre.

Eines hat Angela Merkel mit Wladimir Putin gemeinsam: die vierte Amtszeit. Das war es dann aber auch schon mit der Übereinstimmung der Kanzlerin mit dem alten und neuen russischen Präsidenten. Kühl ließ Merkel am Montag erst einmal mitteilen, dass die Bundesregierung Putins Wahlsieg "zur Kenntnis" genommen habe.

Die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, die massive Aufrüstung Moskaus, der nach russischer Handschrift aussehende Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter in Großbritannien, Berichte über Unregelmäßigkeiten auch bei dieser Wahl in Russland - ein Vertrauensverhältnis wird die Pfarrerstochter aus der DDR in ihrer wohl letzten Amtszeit zu dem ehemaligen KGB-Offizier nicht mehr aufbauen.

Die neue Dramatik in dieser Eiszeit ist für die Kanzlerin aber das, was viele als "postamerikanisches Zeitalter" beschreiben: Mit dem unberechenbaren US-Präsidenten Donald Trump haben die USA für Merkel den Stellenwert des wichtigsten Partners verloren. Jener Verbündeter, den Merkel lange als Garanten für die westlichen Werte, die Demokratie und die Freiheitsrechte so geschätzt hat.

Vom einstigen Vertrauen ist wenig übrig

Das heutige Verhältnis zwischen Berlin und Washington hat aber nichts mehr mit dem Vertrauen von Merkel zu Trumps Vorgänger Barack Obama zu tun. Deutschen Diplomaten kommen die amerikanischen Gesprächspartner abhanden, weil Trump diese nacheinander feuert. Washington heizt das weltweite Wettrüsten an, und obendrein erklärt Trump der Welt den Handelskrieg. Und dann steht da noch eine mögliche Verwicklung Russlands in den US-Wahlkampf mit der Niederlage der Demokratin Hillary Clinton im Raum.

Deutschland und Europa müssen sich unabhängiger von den USA machen. Das ist gleich das nächste große Problem für die dienstälteste Regierungschefin in der EU: Europa ist uneins wie nie. Großbritannien tritt aus der EU aus, Spanien hat einen Unabhängigkeitskonflikt mit Katalonien. Osteuropäische Länder sind auf Distanz, weil sie Merkels Flüchtlingspolitik zutiefst ablehnen und möglichst gar keine Verteilung der hilfesuchenden Menschen per Quote akzeptieren wollen.

Eigentlich bleibt nur noch Frankreich

Das zu Zeiten von Donald Tusk als polnischem Ministerpräsidenten so enge deutsch-polnische Verhältnis ist abgekühlt, seitdem die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit in Warschau an der Macht ist. Die neue Regierung versucht, die Unabhängigkeit der Justiz derart zu schwächen, dass die EU erstmals in ihrer Geschichte ein Sanktionsverfahren eingeleitet hat, durch das Polen seine Stimmrechte in der EU verlieren könnte.

Griechenland wird Merkel und ihrem damaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den brutal harten Reformdruck zur Abwehr der Staatspleite lange nicht verzeihen. Die Niederlande, jahrelang eng an Merkels Seite, wehren sich gegen den Kurs im neuen deutschen Koalitionsvertrag, wonach die Mitgliedstaaten Brüssel mehr Geld und Kompetenzen abgeben sollen. Italien ist bei der Wahl im Februar nach rechts gerückt. Alle Alarmglocken schrillen, dass bei der Europawahl im nächsten Jahr Rechte, Populisten und antieuropäische Protestparteien massiven Zulauf haben könnten.

Bleibt vom Kaliber des Engen, Vertrauten, Großen und Wichtigen eigentlich nur Frankreich. Für die Stabilität Europas, nach innen wie nach außen, wird es jetzt auf die deutsch-französische Achse ankommen. So sehr wie schon lange nicht mehr.

Erstes Reiseziel der Kanzlerin

Paris war Merkels erstes Ziel nach ihrer vierten Vereidigung als Kanzlerin in der vorigen Woche. Seit einem Jahr wartet Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf die deutsche Antwort auf seine EU-Reformvorschläge. Der Jubel über den jungen, neuen, schwungvollen Präsidenten beginnt im eigenen Land schon langsam zu verstummen, weil seine Reformen im Inland Beschäftigten und Rentnern wehtun.

Macron will Klarheit, ob er sich mit seiner Forderung nach einem eigenen Haushalt für die Eurozone und einem europäischen Finanzminister doch noch durchsetzen kann oder damit an Deutschland scheitern wird. Merkel hat sich dazu in Paris noch zurückgehalten. In ihrer neuen großen Koalition gibt es dazu noch erhebliche Vorbehalte.

Die Kanzlerin beginnt jetzt wieder mit dem, was sie in ihrer bisher knapp zwölfeinhalbjährigen Amtszeit vielleicht am besten gelernt hat: hinter den Kulissen verhandeln, Strategien verabreden, Truppen sammeln. Ihre zweite Auslandsreise nach Paris führte sie am Montag nach Warschau zu Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.

Als Friedenspolitikerin geschätzt

Morawiecki wirft der Bundesregierung vor, dass sich Europa durch den geplanten Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland zunehmend von Moskau abhängig mache. Deutschland, Frankreich und Polen wollen aber trotz der Differenzen ihre regelmäßigen Beratungen über europäische Zukunftsfragen im "Weimarer Dreieck" nach anderthalbjähriger Pause wieder aufnehmen.

Nach einer Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag von RTL/n-tv, von wem die Gefahr eines Krieges in der Welt ausgehen könnte, nannten elf Prozent Macron, 65 Prozent Putin. Als größte Gefahr für den Frieden bezeichneten 82 Prozent diesen Mann: Trump. Dass von Merkel eine Kriegsgefahr ausgehen könnte - das glauben acht Prozent. In Deutschland wird sie immer noch als Friedenspolitikerin geschätzt.

(kd)
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