Interview mit offiziellem Wahlbeobachter "Weder freie noch faire Wahlen"

Die OSZE kritisiert den Ablauf des Verfassungsreferendums in der Türkei scharf. Auch nach Ansicht des Linkspolitikers Andrej Hunko war das Verfassungsreferendum in der Türkei weder frei noch fair. Er war offizieller Wahlbeobachter des Europarates.

 Eine Mann wirft am 16. April in der Türkei seinen Stimmzettel in eine Wahlurne.

Eine Mann wirft am 16. April in der Türkei seinen Stimmzettel in eine Wahlurne.

Foto: dpa, jhezeus

Wo haben Sie das Referendum beobachtet?

Hunko Ich war als Mitglied der Europarats-Delegation zusammen mit einem österreichischen Kollegen in Diyarbakir, also mitten in den kurdischen Gebieten, sowie in Mardin. In der kleinen Beobachtergruppe waren wir die einzigen, die sich die Situation im Südosten der Türkei anschauen konnten.

Kamen Sie ohne Probleme in die Wahllokale?

Hunko Zunächst hat uns ein schwer bewaffnetes Polizeiaufgebot mit Gewehren, Maschinenpistolen und einem gepanzerten Wagen mit laufendem Motor den Weg versperrt. Es gab also eine Atmosphäre massiver Bedrohung. Auch eine halbstündige Diskussion konnte die Zweifel der Polizei an unserer Legitimation nicht nehmen. Während wir dann auf eine Intervention des Europarates warteten, wurden wir auf Schritt und Tritt von Polizisten begleitet. Erst danach wurden wir reingelassen.

 Andrej Hunko (Linke) im Jahr 2014 im Deutschen Bundestag (Archiv).

Andrej Hunko (Linke) im Jahr 2014 im Deutschen Bundestag (Archiv).

Foto: dpa

Was konnten Sie beobachten?

Hunko Es gab in diesen Kurdengebieten eine hohe Wahlbeteiligung. In den Wahllokalen befanden sich bewaffnete Polizisten. In den Wahlvorständen waren sowohl Regierungs- wie Oppositionsseite vertreten. Das war insofern korrekt. Allerdings wurde uns auch berichtet, dass in den Tagen zuvor massiv potenzielle Erdogan-Gegner in Gewahrsam genommen worden waren und sie dadurch nicht an der Abstimmung teilnehmen konnten. Die Turnhallen seien voll von ihnen gewesen.

Wie lautet somit Ihre Gesamtbilanz?

Hunko Angesichts der massiven Einschränkungen des Nein-Lagers und den Bedingungen des Ausnahmezustandes kann weder von freien noch von fairen Wahlen gesprochen werden.

Das Interview führte Gregor Mayntz.

Die türkische Regierung hat unterdessen die Kritik der OSZE am Ablauf des Referendums scharf zurückgewiesen. Der Vorwurf der Beobachter sei "inakzeptabel".

(may-)
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