Symbol für Integration Ansturm auf Stipendien für Muslime

Berlin · Ab heute finanziert der Bund erstmals eine Studienförderung speziell für Muslime. Mehr als 600 Studenten hatten sich für 65 Plätze beworben. Das Projekt soll Symbol für Integration sein.

Der erste Jahrgang muslimischer Studenten, die von der Bundesregierung mit Stipendien gefördert werden, geht heute an den Start. 65 besonders begabte und gesellschaftlich engagierte muslimische Studenten und Doktoranden erhalten ein einkommensabhängiges Grundstipendium von bis zu 670 Euro im Monat zuzüglich verschiedener Zuschläge.

Benannt ist das Avicenna-Studienwerk nach dem persischen Gelehrten Ibn Sina, der im 11. Jahrhundert wirkte und lateinisch Avicenna genannt wird. Der Ansturm auf das Angebot war enorm: Mehr als 600 Bewerbungen gingen ein, am Ende wurden 65 Plätze vergeben - obwohl zunächst nur 50 geplant waren. "Wir waren von der Nachfrage überrascht", sagte Hakan Tosuner, Geschäftsführer von Avicenna. "Aber der Ansturm zeigt, wie viele muslimische Studierende an unseren Universitäten eingeschrieben sind. Das freut uns sehr."

Aus dem Etat des Bundesforschungsministeriums fließen in den nächsten fünf Jahren insgesamt zehn Millionen Euro an Avicenna, um die Stipendien zu finanzieren. Im kommenden Jahr sollen dann 80 weitere Stipendiaten aufgenommen werden, 2016 schon rund 100.

Avicenna wurde erst 2013 gegründet und ist damit das jüngste von 13 staatlich unterstützten Begabtenförderwerken in Deutschland. Erstmals richtet sich eine solche Einrichtung neben bereits bestehenden Angeboten für katholische, evangelische und jüdische Studenten auch an Muslime. " Wir schließen eine Lücke", sagte Thomas Rachel (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Forschungsministerium, der sich für das Projekt eingesetzt hat. "Das ist ein historischer Schritt und Zeichen der Anerkennung für Muslime in Deutschland."

Die Gründung wurde jedoch anfangs heftig kritisiert - auch in der Partei von Staatssekretär Rachel. In der Union warnten Abgeordnete vor möglichen muslimischen Extremisten, die durch Avicenna sogar vom Bund gefördert würden. Und manche muslimische Glaubensvertreter wünschten sich eine stärkere religiöse Anbindung der Förderangebote des Studienwerks.

Aus Sicht des Zentralrats der Muslime in Deutschland ist Avicenna ein Erfolg. "Das ist ein wichtiger Tag für Muslime in Deutschland, weil der Islam wieder mehr als Stück Normalität in der Gesellschaft begriffen wird", sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek.

Das Projekt überrascht unterdessen aber nicht nur mit großer Beliebtheit, auch die Auswahl der zu fördernden Personen lässt aufhorchen: 41 der 65 Stipendiaten sind Frauen und allein elf der 14 geförderten Doktoranden. "Mich freut der hohe Anteil von Frauen unter den Stipendiaten", sagt Mazyek. Er hoffe jedoch, dass sich das lange Studium und eine Promotion für die Frauen auszahlen werden. "Denn leider gibt es in Deutschlands Betrieben noch viele Vorurteile gegen Muslimas, die Kopftuch tragen", so Mazyek. Sein Appell: "Schaut in die Köpfe der Frauen, nicht nur auf deren Kopfschmuck."

Das Stipendienprogramm von Avicenna dient so auch als Symbol für Integrationspolitik. Nicht umsonst betont Staatssekretär Thomas Rachel: "Die Botschaft an alle jungen Muslime in Deutschland lautet: Ihr könnt hier etwas erreichen, ihr seid Leistungsträger und in dieser Gesellschaft willkommen!"

(jd)
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