Annegret Kramp-Karrenbauer Die Merkel von der Saar

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer gehört zum Führungszirkel der CDU und gilt als enge Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel. Parteifreunde sehen sie als nächste Bundespräsidentin.

 Saar-Regierungschefin Kramp-Karrenbauer

Saar-Regierungschefin Kramp-Karrenbauer

Foto: dpa, odietze rho

Wer ist diese Saarländerin mit der Chuzpe, ihre eigene Regierung platzen zu lassen? Und das, um pünktlich zum traditionellen Dreikönigstreffen die Liberalen an der Saar aus ihrem Kabinett rauszuwerfen? Diese Fragen stellte die Republik im Januar 2012. Damals machte die CDU-Politikerin mit dem sperrigen Namen Annegret Kramp-Karrenbauer durch einen beispiellosen Machtpoker im kleinsten Bundesland auf sich aufmerksam.

Aus diesem Machtkampf ging "AKK", wie sie in der Union genannt wird, gestärkt hervor. Sie ist immer noch Ministerpräsidentin im Saarland. Ihr Land gilt als vorbildlich in der Flüchtlingspolitik, und ihr Wort hat Gewicht in der CDU. Dass Angela Merkel eine wie sie schätzt, überrascht nicht. Die beiden sind sich durchaus ähnlich.

Die Saar-Regierungschefin ist in den meisten sachpolitischen Themen sattelfest, ihr Gegenüber durchschaut sie schnell. Dennoch ist sie eher der Typ, der unterschätzt wird. Sie macht wenig Aufhebens um die eigene Person, ist pragmatisch und uneitel. Wenn man sich eine katholisch und westdeutsch geprägte Merkel, knapp zehn Jahre jünger, vorstellt, hat man AKK vor Augen.

Allerdings ist die Merkel von der Saar mutiger als ihre Parteichefin. Als es um die Auflösung ihrer Koalition im Saarland ging, beriet sie sich mit der Kanzlerin telefonisch. Diese riet vehement ab, das Bündnis platzen zu lassen. Kramp-Karrenbauer traf ihre eigene Entscheidung.

In Berlin gilt die CDU-Politikerin von der Saar schon länger als Geheimtipp für die Nachfolge von Merkel im Kanzleramt. Sie ist nicht der Typ, der sich in dieser Rolle lange aufdrängte, wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Sie gehört auch nicht zum politischen Inventar wie Finanzminister Wolfgang Schäuble, den man ohnehin immer auf dem Zettel hat. Sie war aber auch stets klug genug, es nie auszuschließen, dass ihre Karriere eines Tages in Berlin weitergehen könnte. Meistens verwies sie darauf, dass mit Kanzleramtsminister Peter Altmaier ja schon ein Saarländer für die CDU am Kabinettstisch sitze. Aus einem so kleinen Bundesland wie dem Saarland könne kein zweiter Minister kommen.

Weiblich und unideologisch

Dass sie sich grundsätzlich noch mehr vorstellen kann als das Saarland, ließ sie damit durchblicken und zügelte doch zugleich ihren Ehrgeiz. Sie vermied es auch stets, sich auf Kosten anderer oder ihrer Partei zu profilieren. Wenn, dann machte sie mit einer Vorwärts-Verteidigung der Kanzlerin auf sich aufmerksam. Nun bringt die "Bild"-Zeitung die 54-Jährige auch als mögliche neue Hausherrin für Schloss Bellevue ins Spiel. Für sie spricht, dass sie weiblich und unideologisch ist, zum Arbeitnehmerflügel ihrer Partei zählt und eher progressive Positionen in ihrer Partei vertritt. Das macht sie auch für SPD und Grüne wählbar.

Es gibt aber mehr Punkte, die gegen eine Kandidatur der saarländischen Ministerpräsidentin sprechen. Sie ist eine aktive Parteipolitikerin. Zuletzt mischte sie sich auch kräftig in die Bundespolitik ein. Die Kritik von SPD-Chef Sigmar Gabriel an Merkels Flüchtlingspolitik nannte sie perfide. Der CSU warf sie vor, unrealistische Forderungen in der Flüchtlingspolitik aufzustellen. AKK ist einfach zu nah dran an Merkel, als dass sie unabhängig von ihr und ihrer Flüchtlingspolitik wahrgenommen würde.

Innenministerin, Bildungsministerin, Sozialministerin

Sollte Kramp-Karrenbauer ernsthaft als Kandidatin für Schloss Bellevue gehandelt werden, würden SPD und Grünen sicherlich noch einmal ihre Äußerungen zur Homo-Ehe aus dem vergangenen Sommer durchleuchten. Die als liberal geltende Kramp-Karrenbauer wandte sich gegen die sogenannte Ehe für alle mit dem Argument, dann wären "etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen" auch denkbar. Nach der Äußerung wurde ihr vorgeworfen, sie vergleiche die Homo-Ehe mit Inzest und Polygamie.

Kramp-Karrenbauer ist weder homophob noch reaktionär. Der Begriff der Ehe für alle ging ihr aber zu weit. Sie stammt aus der kleinen saarländischen Stadt Völklingen und ist im konservativ-katholisch geprägten Milieu aufgewachsen. Sie ist verheiratet und hat drei inzwischen erwachsene Kinder. Sie lebt ein modernes Rollenbild.

Ihr Mann, ein Bergbauingenieur, steckte für ihre politische Karriere zurück. Ihr politisches Talent entdeckte der frühere saarländische Ministerpräsident und heutige Bundesverfassungsrichter Peter Müller. Müller ist ein linker CDU-Mann, der die Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen im Saarland schmiedete, die Kramp-Karrenbauer wegen dauerhafter Personalquerelen bei den Liberalen dann platzen ließ. 1999 wurde Kramp-Karrenbauer Müllers persönliche Referentin. Ihre Eignung bewies sie später in verschiedenen Ministerämtern im Saarland: Sie war Innenministerin, Bildungsministerin und Sozialministerin.

Die Netzwerkerin

In der Union ist die studierte Rechts- und Politikwissenschaftlerin bestens vernetzt. Sollte sie eines Tages in der Partei nach der Macht greifen, könnte sie sich auf die Frauen-Union und auf den Arbeitnehmerflügel verlassen. Auch die Katholiken in der CDU dürften ihr den Rücken stärken. Sie ist Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken.

Sie wäre auch nicht der Typ Provinzimport, der im rauen Berliner Klima unterginge. Im Gegenteil: Sie ist in der Hauptstadt immer wieder präsent als Präsidiumsmitglied und als Landes-Regierungschefin. Sie pflegt auch Kontakte zu Hauptstadtjournalisten. Sollte sie eines Tages nach mehr Macht greifen, würde keiner fragen: Kramp-Wer? Das kleine Saarland ist eine feste Größe in der Hauptstadt.

Eigentlich spricht mehr dafür, dass Kramp-Karrenbauer eines Tages in der Bundespolitik aktiv eine wichtige Rolle übernimmt. Zumal das Saarland im März 2017 wählt. Wenn sie sich im Februar zur Bundespräsidentin wählen ließe, ginge die Wahl für die CDU an der Saar mutmaßlich verloren.

Doch sollte Merkel sie rufen, ließe sie sich wahrscheinlich als Präsidentschaftskandidatin aufstellen. Das Szenario, wonach sie sich möglicherweise einem dritten Wahlgang stellen müsste, dürfte sie nicht schrecken. Sie hat bewiesen, dass ihre Nerven auch für eine Wackelpartie gut genug sind.

(qua)
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