Senioren am Existenzminimum Altersarmut steigt drastisch an

Berlin (RPO). Bis 2025 wird sich die Zahl der älteren Menschen, die von staatlicher Grundsicherung leben, auf zehn Prozent vervierfachen, prognostizieren Sozialexperten. Die Kommunen warnen vor einem "finanziellen Sprengsatz".

Rentensysteme in Deutschland und Frankreich
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Foto: AFP

Unterbrochene Erwerbsbiografien, mehr Teilzeit- und Niedriglohnjobs, rückläufige Rentenniveaus und die steigende Lebenserwartung — alle diese Faktoren werden die Zahl der armen Senioren in den kommenden Jahrzehnten in die Höhe treiben. "Die Altersarmut wird sich in den nächsten Jahren dramatisch verschlimmern", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Wohlfahrtsverbandes, unserer Redaktion. Der Anteil der über 65-Jährigen, die auf die staatliche Grundsicherung im Alter angewiesen sind, werde sich von derzeit etwa 2,5 Prozent bis 2025 "auf zehn Prozent oder mehr vervierfachen", prognostizierte Schneider.

Seit 2003 erhalten Menschen, die älter als 65 Jahre sind und deren eigene Mittel für den Lebensunterhalt nicht ausreichen, die von der damaligen rot-grünen Regierung eingeführte Grundsicherung im Alter. Alleinstehende bekommen den monatlichen Hartz-IV-Regelsatz von 359 Euro sowie einen Miet- und Heizkostenzuschuss. Kinder armer Eltern sind seit 2003 nur noch dann unterhaltspflichtig, wenn sie mehr als 100.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Die Kosten der Grundsicherung tragen die Kommunen. Derzeit erhalten rund 400.000 Senioren diese Form der Sozialhilfe, davon 108.000 in NRW.

Der internationale Vergleich

Damit stehe Deutschland im internationalen Vergleich zwar noch relativ gut da, sagte der frühere Chef des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Bert Rürup. "Doch die Altersarmut wird zunehmen", warnte auch der renommierte Rentenexperte. "Wenn es in dieser Legislaturperiode eine rentenpolitische Aufgabe gibt, dann ist es die, eine Antwort auf diese steigenden Risiken zu finden." Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte zwar bereits für 2011 eine Regierungskommission zur Bekämpfung der Altersarmut angekündigt, doch wann diese ihre Arbeit aufnehmen wird, ist derzeit noch ungeklärt.

"Angesichts zunehmend gebrochener Erwerbsbiografien mit Lücken und kargen Jahren sowie der enormen Ausweitung des Niedriglohnsektors werden immer mehr Menschen im Alter auf Grundsicherung angewiesen sein", ergänzte Ulrich Schneider vom Wohlfahrtsverband. Vor allem Ostdeutschen, die im Jahr der Einheit mittleren Alters waren, danach kaum Arbeit fanden und nun ins Rentenalter kommen, drohe ein Lebensabend auf Armutsniveau.

Auch die Rentenreformen der vergangenen Jahre drücken die eigenen Alterseinkommen und erhöhen damit für viele das Armutsrisiko: Bis 2030 wird das Rentenniveau um ein Sechstel zurückgefahren, damit das Rentensystem zahlungsfähig bleibt. Wegen der Alterung der Gesellschaft wird auch die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Die Kosten der Pflege dürften die Ersparnisse vieler älterer Menschen aufzehren — auch die sind dann auf Sozialhilfe angewiesen.

Grundsicherung wird zum finanziellen Sprengsatz

"Für die Kommunen entwickelt sich die Grundsicherung zum finanziellen Sprengsatz", warnte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg. Von 2003 bis 2009 hätten sich die jährlichen Ausgaben der Kommunen für die Grundsicherung auf 3,9 Milliarden Euro verdreifacht. Die Zahl der Empfänger habe sich in diesem Zeitraum bereits verdoppelt. "Wir fordern den Bund auf, uns diese Kosten abzunehmen. Sie haben nichts mit den kommunalen Aufgaben zu tun", sagte Landsberg.

Der Ökonom Rürup forderte die Regierung auf, eine Aufstockrente einzuführen. "Geringverdiener, die ihr Leben lang gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt haben, sollten eine Rente knapp oberhalb der Grundsicherung bekommen", sagte Rürup. Die Aufstockrente habe die CDU auf ihrem letzten Bundesparteitag bereits beschlossen. "Jetzt muss sie die auch in die Tat umsetzen."

(RP)
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