Analyse Eltern stecken in alten Rollen fest

Berlin · Eine Studie zeigt erstmals, wie Väter und Mütter zu der Entscheidung über Arbeitszeiten kommen. Klar ist: Die traditionelle Aufteilung in Vollzeit bei Männern und Teilzeit bei Frauen hat Bestand. Die Politik will das ändern.

In den 50er Jahren war das so: Der Vater ging von morgens bis abends arbeiten, die Mutter betreute daheim die Kinder und kümmerte sich derweil um den Haushalt. Die Rollen waren klar verteilt, zur Diskussion standen sie nicht. Frauen im Beruf? Damals höchstens ohne Familie. Heute soll alles zusammen klappen, und zwar perfekt.

Die Männer wollen und sollen arbeiten, wollen und sollen sich aber auch um den Nachwuchs kümmern. Schließlich ist das gut für die kindliche Entwicklung, heißt es. Aber: Auch Frauen wollen und sollen arbeiten, schließlich sind sie nach der Schule und womöglich der Uni oftmals sogar besser ausgebildet als Männer. Und die Wirtschaft kann ja angesichts der demografischen Horrorzahlen auf keine qualifizierte Mitarbeiterin verzichten.

Väter arbeiten Vollzeit, Mütter Teilzeit

Das kleine Problem: Nichts von alledem passt auch nur ansatzweise zusammen. Nicht umsonst finden Bücher mit knallhart ehrlichen Titeln wie "Die Alles-ist-möglich-Lüge" oder "Geht alles gar nicht" reißenden Absatz. Sie werden am Sandkastenrand und am Mittagstisch im Geschäftsviertel von Müttern und Vätern hitzig diskutiert.

Neues Futter für eben diese Debatten liefern jetzt die Meinungsforscher vom Institut Allensbach. Sie haben in einer Studie für das Bundesfamilienministerium herausgefunden, was jeder schon ahnte, der Kinder hat: Die alten Rollenbilder aus den 50er Jahren haben in Deutschland im Kern weiter Bestand. Die meisten Männer arbeiten nach der Geburt des ersten Kindes ebenso wie vorher in Vollzeit, Mütter dann jedoch höchstens in Teilzeit - oder sie sind gar nicht mehr berufstätig. 3000 Interviews haben die Forscher für ihre Studie geführt. Sie fanden heraus, dass diese Aufteilung auf mehr als 70 Prozent der befragten Eltern zutrifft.

Anders als wohl noch in den 50er Jahren waren laut der Umfrage aber 71 Prozent der Väter und Mütter vor der Geburt des ersten Kindes in Vollzeit berufstätig. Nach der Entbindung schafften es nur noch 15 Prozent der Befragten, die volle Berufstätigkeit beider Partner mit dem neuen Familienleben zu vereinbaren. Deutlich häufiger, nämlich bei einem Viertel der Paare, waren die Väter weiter in Vollzeit und die Mütter in kürzerer Teilzeit (15 bis 24 Stunden) tätig. Bei 17 Prozent der jungen Eltern sind laut Umfrage die Mütter gar nicht mehr berufstätig.

Vor allem Mütter sind mit ihrer Rolle in der Familie oft unzufrieden

Und dabei sind sie mit der Situation nicht zufrieden. Partnerschaftlichkeit gilt den Elternteilen bei der Vereinbarkeit von Familie und Arbeitsleben als wichtig. So fänden es 47 Prozent der Eltern ideal, wenn sie gleiche oder zumindest annähernd gleiche Arbeitszeiten hätten. Umsetzen können dies derzeit aber nur 35 Prozent der Paare. Und: 52 Prozent der Väter würden gern die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen, aber nur 18 Prozent der Befragten tun das. Umgekehrt würde fast die Hälfte der Frauen, die eine verantwortliche Stellung im Beruf hatten und gut verdienen, eher auf Vollzeit- oder längere Teilzeitstellen zurück als andere.

Auch an einer anderen Stelle klaffen Wunsch und gelebte Wirklichkeit vieler deutscher Eltern auseinander: Mit 28 Prozent Zustimmung wäre kein anderes Arbeitszeitmodell so beliebt wie eine Teilzeitlösung für beide Partner. Aber nur vier Prozent der Eltern haben eine solche Balance zwischen Beruf und Familie bereits einrichten können. Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, sagen aber zu 92 Prozent, dass ihnen Berufstätigkeit wichtig ist. Und 30 Prozent der Mütter wünschen sich bei der Kinderbetreuung mehr Unterstützung durch den Partner. Das sorgt bei vielen Familien für Streit, für gegenseitige Vorwürfe, für Frust und eine Belastung der Partnerschaft.

Die Wissenschaftler des Allensbach-Instituts haben vier Gründe identifiziert, warum bisher so wenige Eltern Wunsch und gelebte Praxis miteinander übereinbringen können. Erstens gibt es durch die Berufswahl und gewachsene Diskriminierung einen eklatanten Unterschied bei den Verdienstmöglichkeiten von Männern und Frauen. 22 Prozent weniger Gehalt bekommen Frauen in Deutschland im Schnitt. Die Entscheidung, ob der Vater oder die Mutter mehr arbeiten geht, ist also häufig eine Frage des Geldes.

Nicht alle Arbeitgeber bieten flexible Modelle

Zweitens bieten viele Betriebe noch nicht genug Wahlmöglichkeiten bei den Arbeitszeitmodellen an, sind zu unflexibel. Drittens gibt es vor allem in westdeutschen Bundesländern noch zu wenig Ganztagsschulen und -Kitas, und viertens überwiegt schlicht ein teils traditionelles Familienbild - auch bei jungen Eltern. So sagte etwa die Hälfte der von Allensbach befragten Personen, "dass ein Kind in den ersten Jahren von der Mutter betreut werden sollte".

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) fühlt sich daher auf ihrem Kurs für 24-Stunden-Kitas, ein gerechteres Steuersystem und eine Familienarbeitszeit bestätigt. "Eine Familienarbeitszeit trifft den Nerv junger Eltern", sagte Schwesig gestern in Berlin. Das Modell sieht vor, dass junge Eltern ihre Stundenzahl bei zumindest teilweise erstattetem Lohnausgleich reduzieren können. Sie wolle Familien nicht in irgendwelche Rollen zwängen, so Schwesig, und die Entscheidung zur Arbeitszeit der Eltern könne die Politik den Familien nicht abnehmen. "Was wir aber tun können, ist, ihnen Unterstützung zu geben bei der Umsetzung ihrer Wünsche", sagte Schwesig.

Konservative Politiker hatten der Ministerin zuletzt vorgeworfen, sie wolle andere Frauen mit ihrem eigenen Lebensentwurf als Vollzeit arbeitende Mutter zwangsbeglücken. Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Marcus Weinberg (CDU), sagte unserer Zeitung: "Die Ergebnisse der Allensbach-Umfrage bestätigen der Union die Veränderungen der Familienleitbilder in den letzten Jahren." Die Union wolle mit der SPD etwa das Recht auf Wiederaufstockung der Arbeitszeit auch außerhalb von Elternzeit vorantreiben.

"Hierzu warten wir auf einen Gesetzentwurf der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles", sagte Weinberg. Mit einem Seitenhieb auf Schwesigs Pläne für eine Familienarbeitszeit sagte der CDU-Politiker aber: "Partnerschaftlichkeit kann weder verordnet werden, noch sollte sich der Staat anmaßen, sie zum einzig richtigen Modell zu erheben." Wichtiger als die Kopfgeburt staatlich geförderter Arbeitszeitmodelle sei, dass in den Unternehmen und Betrieben selbst ein Umdenken erfolge, so Weinberg.

(jd)
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