Abidjan Aktionsplan gegen Sklavenhandel

Abidjan · Beim EU-Afrika -Gipfel in Abidjan geht es um Investitionen in die Jugend. Doch dann gibt es überraschend Hilfe für Flüchtlinge in Libyen.

Ohne diese schockierenden Handy-Videos über den Sklavenhandel in Libyen gäbe es jetzt keinen Evakuierungsplan. Ohne den CNN-Bericht der sudanesischen Reporterin Nima Elbagir über den Verkauf von Flüchtlingen als Arbeitskräfte wäre es beim EU-Afrika-Gipfel in Abidjan programmgemäß bei Investitionshilfen für die Jugend geblieben. Dabei waren die Missstände in dem nordafrikanischen Küstenstaat seit Langem bekannt.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen wirft der EU nicht erst seit gestern eine Mitverantwortung für die dramatische Situation der Flüchtlinge in Internierungslagern vor, indem sie den Wiederaufbau der libanesischen Küstenwache unterstützt. Diese hindere Migranten an der Flucht und liefere sie dann der Ausbeutung, Folter und Sklaverei aus. Auch Deutschland war wohl im Bilde. Zumindest hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im August im Zusammenhang mit Informationen über Libyen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) einen zusätzlichen zweistelligen Millionenbetrag zugesagt.

Am Mittwoch kamen dann zwei Dinge zusammen: das internationale Entsetzen über die Mitte November veröffentlichten CNN-Aufnahmen und das zweitägige Treffen der Eliten von 80 europäischen und afrikanischen Staaten am Regierungssitz der Elfenbeinküste. Sonst wäre vermutlich wieder nichts geschehen, verlautete am Rande des Gipfels aus der deutschen Delegation. Merkel sagte, in allen Gesprächen der Staats- und Regierungschefs sei es um den CNN-Bericht gegangen. Die Bilder hätten den Schrecken greifbar gemacht. Auf dem Handy-Video ist zu sehen, wie der Preis für junge Männer verhandelt wird. Die Spanne reicht von 250 bis etwa 1000 Euro. Wie bei einer Auktion nennt ein Mann die Summen. Gastgeber und Präsident Alassane Ouattara sprach von Erinnerungen "an die schlimmsten Stunden der Menschheit". Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron äußerten sich empört und beriefen für den Abend eine Sondersitzung mit Vertretern der Vereinten Nationen, der EU, der Afrikanischen Union und mehreren afrikanischen Präsidenten ein, an dem auch der libysche Ministerpräsident Fajis al Sarradsch teilnahm. Der Neun-Punkte-Aktionsplan war noch nicht geschrieben, da informierten die Delegationen in der Nacht schon über das beabsichtigte Maßnahmenpaket. Das gibt es auf internationalen Gipfeln selten. Der Handlungsdruck war groß.

Al Sarradsch stimmte zu, dass die IOM und das Flüchtlingshilfswerk UNHCR Zugang zu den Lagern bekommen. Das gilt allerdings nur für seinen Machtbereich. Denn in den von Milizen kontrollierten libyschen Gebieten hat er nichts zu sagen. Beide Hilfsorganisationen sollen Migranten dabei unterstützen, in ihre Heimatländer zurückzukehren - ohne Gesichtsverlust. Denn oft hat die Familie der meist jungen Männer ihr letztes Hab und Gut für Schlepper und Flucht geben - in der Hoffnung, dass der Sohn in der Fremde Erfolg hat und die Familie später unterstützen kann. Es gilt als Schande, mittellos zurückzukehren.

Diese Menschen sollen Rückkehrer- und Starthilfen bekommen. Zahlen wollen das die Europäer. Die AU will dafür sorgen, dass die Flüchtlinge identifiziert und ihre Nationalitäten überhaupt zugeordnet werden können. Sie sollen Reisedokumente bekommen. Das Geld für die Rücktransporte wollen die afrikanischen Staaten aufbringen.

Der Sklavenhandel könne eine Wende auch bei afrikanischen Präsidenten einleiten, weil hier ein Trauma des Kontinents berührt und der Stolz und die Ehre der Afrikaner verletzt werde, hieß es. Für Schutzbedürftige - politisch Verfolgte oder Bürgerkriegsflüchtlinge - soll die Möglichkeit geschaffen werden, in aufnahmewillige Staaten auszureisen. Allerdings sollen sie zunächst unter der Federführung des UNHCR in den Tschad oder nach Niger gebracht werden.

Deutschen Schätzungen zufolge dürfte ihr Anteil an den in Libyen gestrandeten Flüchtlingen höchstens ein Fünftel ausmachen. Die große Mehrheit sei aus wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit oder finanzieller Not geflohen. Auch Wasserknappheit und Hunger seien Fluchtgründe. Eine afrikanische Untersuchungskommission soll die Vorfälle in Libyen überprüfen. Bei dem Sondertreffen ging es nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen nicht um Spekulationen, ob Frankreich ein militärisches Eingreifen in Libyen. plant. Deutschland würde sich daran nicht beteiligen, hieß es.

Gipfelteilnehmer mahnten europäische Hilfe bei der Entwicklung der Wirtschaft und von Unternehmen in Afrika an. Nur, wenn die Menschen in ihren Ländern Perspektiven hätten, würden sie sich nicht auf eine lebensgefährliche Flucht durch die Wüste und über das Meer machen.

(kd)
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