Hannover AfD will Asylrecht begrenzen

Hannover · Kein Asylanspruch für ganze Völker: Diesen Beschluss hat die Alternative für Deutschland bei ihrem Parteitag in Hannover gefasst. Dort hielten sich die Scharfmacher alles in allem zurück. Die Devise: bürgerliche Wähler nicht verschrecken.

Frauke Petry spricht am Samstag eine halbe Stunde lang zu den knapp 600 Delegierten der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland. Dunkelblauer Blazer, hellblaue Bluse, so kennt man sie. Nur sieht sie beim Auftakt des Bundesparteitags in Hannover etwas müder aus als sonst. Schließlich war sie am Freitagabend noch in Berlin beim Bundespresseball, aus taktischen Gründen versteht sich. Acht Minuten braucht Petry, bis sie das erste Mal die "Migrationskrise" erwähnt. Die Krise sei vorhersehbar gewesen, die "Konsensparteien" in Berlin seien ohnmächtig, würden Ideen der AfD klammheimlich aufgreifen, so Petry. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe längst eine Bankrotterklärung abgegeben, indem sie zugab, die Migration nicht steuern zu können. Petry ruft Merkel unter Beifall zu: "Treten Sie zurück, Sie schaffen das!"

Petry sah es als ihre wichtigste Aufgabe an, Einigkeit zu demonstrieren. Weder in ihrer Rede noch im Beitrag des Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen war ein weiterer Rechtsruck wahrnehmbar. Angriffe auf die Bundesregierung und gegen die Medien kamen natürlich, das Wort Lügenpresse ersetzte Petry aber durch "Pinocchio-Presse". Ihre Botschaft: Die AfD war nie weg, die Partei habe nach den Grabenkämpfen gegen Ex-Chef und Mitbegründer Bernd Lucke nur eine "Verschnaufpause" gebraucht. Und während Luckes Partei-Neugründung ALFA keine Rolle mehr spielt, freut sich die AfD über steigende Mitgliederzahlen und Umfragewerte zwischen sieben und zehn Prozent.

Und um solch schädliche Machtkämpfe gar nicht erst aufkommen zu lassen, spielten sachliche Debatten in Hannover kaum eine Rolle. Nicht umsonst betonte Petry im Vorfeld des Parteitags bei jeder Gelegenheit, dass es sich lediglich um einen "Satzungsparteitag" handle. Ein Schlagabtausch sei nicht zu erwarten. Unter keinen Umständen wollte man das Bild einer Chaos-Partei am rechten Rand abgeben und so vielleicht bürgerliche Wähler verschrecken.

Tatsächlich blieben turbulente Szenen aus. Gesprächsbedarf hatten die Delegierten aber dennoch, und nicht nur zu Satzungsfragen. So wurde der bevorstehende Einsatz der Bundeswehr in Syrien auf die Tagesordnung genommen. Das Meinungsbild: gespalten. Anti-Amerikanismus ist verbreitet in der Partei, Sympathien für Russlands Präsident Putin durchaus vorhanden. Viel Applaus bekam Petry, als sie entgegen anderer Parteien eine Verbindung zwischen Flüchtlingszuströmen und steigender Terrorgefahr in Europa herstellte. "Zu negieren, dass es Zusammenhänge zwischen illegaler Einwanderung, unkontrollierter Migration und dem Anwachsen des Terrors gibt, ist eine politische Naivität, der wir nicht nachfolgen sollten", sagte Petry.

Kurze Zeit später kassierte sie hingegen eine Niederlage. Die Delegierten offenbarten ihre Gesinnung, als sie einen Positionsvorschlag des Bundesvorstands zum Asylrecht glatt durchfallen ließen und stattdessen für einen Antrag des NRW-Landesverbands votierten. Der ist deutlich schärfer, fordert Beschränkungen des Asylrechts und Obergrenzen bei der Migration. "Das Asylrecht muss und kann beschränkt werden", heißt es in dem Beschluss. Der Anspruch auf Asyl könne nicht kollektiv und pauschal ganzen Gruppen oder Völkern zugesprochen werden.

Dennoch: Von einem Schlagabtausch konnte keine Rede sein. Petrys Strategie ging auf. Im Frühjahr 2016 wird in gleich drei Bundesländern gewählt, und gelingt der AfD ein Einzug in die Landesparlamente, gibt das Rückenwind für die Bundestagswahl 2017. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz konnte die AfD bisher nur mit gemäßigten Positionen im bürgerlichen Lager punkten. In Sachsen-Anhalt hingegen sitzt mit Spitzenkandidat André Poggenburg ein Vertreter des rechten Parteiflügels um den Thüringer Landeschef Bernd Höcke. Und obwohl Höcke erst nach Petrys Rede kam, kein Delegierter war und daher auch kein Rederecht hatte, war er der heimliche Star des Parteitags. Viele beglückwünschten ihn zu seinem provokanten Auftritt bei Günther Jauch, wo er eine Deutschlandfahne über seine Sessellehne legte.

Und so muss Petry ein Auge auf Höcke werfen, denn er könnte in einigen Monaten Machtanspruch im Bund erheben. Die Delegierten änderten in Hannover die Parteisatzung. Demnach bleibt es bei einer Doppelspitze - aber auch ein Trio nach dem nächsten Parteitag wäre erlaubt.

(jd)
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