Berlin Klug, wortmächtig, verstockt

Berlin · AfD-Vize Alexander Gauland sorgt mit abfälligen Bemerkungen über Dunkelhäutige für Wirbel. Wer ist dieser Mann?

AfD-Vize Alexander Gauland: Klug, wortmächtig, verstockt
Foto: dpa, rhi vfd jai

"Die Leute wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben" - Alexander Gauland, der mit seinen Gedanken über den dunkelhäutigen deutschen Nationalspieler eine lebhafte Nachbarschaftsdebatte in Deutschland ausgelöst hat, ist so etwas wie das intellektuelle Fundament der neuen Rechten. Seine Heimat war die Auseinandersetzung auf hohem Niveau. Hätte er sich nach Stationen in der Frankfurter Stadtverwaltung, in der Bonner Ministerialbürokratie, in der hessischen Staatskanzlei, als märkischer Verleger und Brandenburger Publizist zur Ruhe gesetzt - der Name Gauland wäre vermutlich verbunden geblieben mit anregenden Disputen in literarischen Salons.

Doch in seinem dritten Frühling gefällt sich der inzwischen 75-Jährige als Stichwortgeber für eine immer wieder neu angefeuerte Debatte, in der die Grenzen zwischen bürgerlichem Anstand, begründeter Sorge und blankem Rassismus ausgetestet und überschritten werden.

Wie konnte es dazu kommen? Einer seiner Buchtitel verrät die Spur: "Anleitung zum Konservativsein". Gauland gehört zu jenen (in der Hauptsache) Männern, die glauben, in der von Angela Merkel modernisierten CDU den Boden unter den Füßen verloren zu haben. Als diese Konservativen sich im "Berliner Kreis" zu organisieren begannen, reagierte die Parteizentrale zunächst nervös. Sie wusste nicht, wie sie es mit einem neuen Flügel halten sollte, der eine Politik für konservative Stammwähler einforderte. Der Druck auf die Akteure hielt sich in Grenzen und ließ sodann nach, weil sich die Mitglieder des "Berliner Kreises", von einzelnen Protagonisten wie Wolfgang Bosbach und eben Alexander Gauland abgesehen, nicht wirksam positionieren - und sich schon gar nicht als neue Anti-Merkel-Sammlungsbewegung innerhalb der Union etablieren konnten.

Vor gut einem Jahrzehnt registrierte der Politikbetrieb in Berlin wiederholt Hinweise auf Pläne, mit einer neuen konservativen Bewegung und mit attraktiven Personen das konservative Klientel anzusprechen und zu gewinnen. Doch auch Gauland gehörte seinerzeit noch zu den Skeptikern, die einer solchen Parteigründung nicht viel zutrauten.

Als er jedoch 2012 spürte, für wie überflüssig die CDU-Zentrale den "Berliner Kreis" hielt, und etwas später von den Absichten eines Professors erfuhr, eine Partei gegen den Euro zu etablieren, war er dabei. Er selbst empfand es als den Start in ein drittes Leben, dem nach der Verwaltung und dem als Publizist. Nun eben selbst Politiker. Mitgründer, Mann der ersten Stunde und so etwas wie eine Brandmauer. In der AfD-Architektur der ersten Stunde markierte er den entschlossenen Konservativismus, aber eben auch die Grenze nach rechts.

Doch diese Brandmauer bröckelt. Das kommt nun auch in seiner Rundmail an die "lieben Parteifreunde" zum Ausdruck, mit der er die Aufregung bändigen will um den Satz über den dunkelhäutigen Deutschen, den "die Leute" als Fußballspieler gut fänden, aber "nicht als Nachbarn haben" wollen. Nebenbei räumt er ein, dass in dem Gespräch mit den FAS-Journalisten das Zitat gefallen sein mag, bringt es fertig, einen Bruch der Vertraulichkeit zu beklagen und zugleich das Verschweigen "heuchlerisch" zu nennen. Zudem führt er wie selbstverständlich die Definition vom "ungebremsten Zustrom raum- und kulturfremder Menschen" ein. Er schwimmt damit in einem Fluss mit zumindest rassistischen Untiefen.

Lange Zeit stand Gauland alleine für die ungeklärte außen- und sicherheitspolitische Programmatik der AfD. Wer Parteichefin Frauke Petry danach fragte, bekam den Hinweis auf Gaulands Papiere als Antwort. Darin entwickelte Gauland eine Sehnsucht nach dem Nationalstaat und fand in seinen Konzepten regelmäßig zur Politik Bismarcks. Als ob die moderne Staatenwelt nach den Prinzipien des 19. Jahrhunderts organisiert werden könnte.

In der aktuellen Politik dringt er mit Bismarck nicht durch. Aber mit Reizworten. Wie etwa einer von ihm befürworteten Zusammenarbeit mit dem französischen Front National. Oder mit der Bezeichnung von ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern als "nützlichen Idioten". Wenn Petry die AfD nach rechts außen abgrenzen will, kann sie sich nicht auf Gauland verlassen, der mit dem Rechtsaußen Björn Höcke freundschaftlich verbunden ist.

Sich mit dem Gauland-Flügel anzulegen, hat Parteigründer Bernd Lucke die Abwahl beschert. Auch zwischen Petry und Gauland fliegen bisweilen die Fetzen. So nutzte Petry die Aufregung um Gaulands Boateng-Gedanken, um den 75-jährigen Parteivize als vergesslich darzustellen und sich von ihm zu distanzieren.

Einen wortmächtigen Mann wie Gauland, der die verbale Selbstradikalisierung beherrscht, schiebt jedoch niemand so leicht beiseite. In Brandenburg hat er als Fraktionschef einen eigenen Apparat. Und bundesweit im rechten Flügel viele Fans. Das gibt ihm die Erwartung, jeden Tag der Genugtuung seines Lebens einen Schritt näher zu kommen. Das ist die Erfüllung einer Mission, die er nach jahrzehntelanger CDU-Mitgliedschaft und der Erkenntnis, in dieser CDU nicht gebraucht zu werden, begonnen hat. Ein Leben als Intellektueller, verdichtet auf drei Worte: "Merkel muss weg."

(may-)
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