Berlin Abschied von der Lebensleistungsrente

Berlin · Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will nun ein neues Konzept gegen Altersarmut vorlegen.

Zur Reform der Rente sind die ersten Entscheidungen gefallen. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Lebensleistungsrente für Geringverdiener wird nicht umgesetzt. Beim dritten und letzten Rentengipfel im Arbeitsministerium mit Gewerkschaften und Arbeitgebern kündigte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nach Teilnehmerangaben an, das Konzept fallenzulassen. Gegen Altersarmut will sie dennoch etwas unternehmen. Sie plant ein neues Konzept, demzufolge Selbstständige in prekären Verhältnissen, Erwerbsminderungsrentner und Geringverdiener vor Altersarmut geschützt werden. Wie dies genau aussieht, ließ Nahles offen. Noch in diesem Monat will sie ein Gesamtkonzept für weitere Rentenreformen vorlegen.

Ob die Regierung noch ein weiteres dickes Brett bohren und die Ost-West-Renten angleichen wird, blieb offen. Am 8. November wollen sich die Spitzen der Koalition mit Nahles treffen, um das weitere Vorgehen bei der Rente auszuloten. Hinter den Kulissen des Rentengipfels machte Nahles gestern deutlich, dass sie sowohl für den Beitragssatz zur Rentenversicherung als auch beim Rentenniveau eine "doppelte Haltelinie" einziehen möchte. Zuvor hatte sie schon angekündigt, in ihrem Rentenkonzept eine Untergrenze für das Rentenniveau bis 2045 festzulegen.

Die Arbeitgeber begrüßten Nahles' Pläne, auch den Beitragssatz zu begrenzen. "Diese Haltelinie darf keinesfalls höher liegen als die bisherige Obergrenze von 22 Prozent. Die Lohnzusatzkosten dürfen nicht durch die Decke gehen", sagte Steffen Kampeter. Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Bislang ist gesichert, dass der Beitragssatz bis zum Jahr 2022 die 22 Prozent nicht übersteigen wird. Positiv bewerten die Arbeitgeber auch die Abkehr von der "teuren und ungerechten Lebensleistungsrente".

Auch die Gewerkschaften begrüßten die Abkehr von der Lebensleistungsrente. "Die solidarische Lebensleistungsrente war mit so vielen Nadelöhren versehen, dass sie die Gerechtigkeitsfrage nicht beantwortet hätte. Deshalb ist es richtig, dass das Modell nicht mehr auf dem Tisch liegt", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. "Das Problem der Altersarmut bleibt uns aber erhalten. Sie zu bekämpfen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die über Steuermittel finanziert werden muss", betonte Buntenbach. Offen ist, wie die gleichzeitige Stabilisierung der Renten und der Beitragssätze angesichts einer steigenden Zahl von Rentnern bei sinkenden Zahlen von Arbeitnehmern finanziert werden soll. Dies ginge nur über eine Anhebung des Renteneintrittsalters oder über höhere Steuerzuschüsse.

Eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters lehnt Nahles kategorisch ab. Auch die Idee ihrer Parteifreundin, SPD-Generalsekretärin Katarina Barley, der Rentenversicherung über eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze mehr Geld zu verschaffen, wies die Arbeitsministerin zurück. Bisher müssen Rentenbeiträge bis zu einem Einkommen von monatlich 5400 Euro im Osten und 6200 Euro im Westen gezahlt werden. Einkommen, die darüber liegen, bleiben ab der Grenze beitragsfrei.

"Tatsächlich haben wir momentan kein akutes Problem mit den Rentenbeiträgen", sagte Nahles. Eine Anhebung oder Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze löst aus Nahles' Sicht auch perspektivisch die Finanzprobleme der Rentenversicherung nicht. Es gelte das "Äquivalenzprinzip": Wer mehr einzahlt, müsse auch mehr rausbekommen.

Dies sieht auch die Fachwelt so. "Eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze wäre auf lange Sicht keine Lösung, um die Finanzlage der Rentenversicherung zu verbessern", sagte der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Axel Reimann, unserer Redaktion. Eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze würde zwar kurzfristig zu Mehreinnahmen bei der Rentenversicherung führen. Langfristig stünden den höheren Beiträgen aber auch höhere Anwartschaften der Beitragszahler gegenüber, die zusätzlich zu finanzieren wären.

Der Sozial-Experte des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Jochen Pimpertz, verwies darauf, dass bei einer Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze die Arbeitgeber deutlich höhere Lohnnebenkosten für hochqualifizierte Arbeitnehmer zahlen müssten. Dies könne über kurz oder lang negative Auswirkungen auf Beschäftigungsstrukturen und Innovationsfähigkeit haben.

(qua)
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