Ankara 1009 türkische Polizisten verhaftet

Ankara · Präsident Erdogan setzt seine "Säuberungsaktionen" fort.

In der Türkei hat die Polizei bei landesweiten Razzien gestern 1009 angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung festgenommen. Nach Angaben von Innenminister Süleyman Soylu wurden in 72 Provinzen Verdächtige verhaftet. Zugleich wurden mehr als 9000 Polizei-Mitarbeiter suspendiert. Es handele sich um ein Gülen-Netzwerk im Polizeiapparat, das sich "Die heimlichen Imame" nennt, sagte der Minister. Insgesamt seien 3224 Haftbefehle ausgestellt worden. An den Razzien waren rund 8500 Polizisten in allen 81 Provinzen des Landes beteiligt.

Der islamische Prediger Fethullah Gülen war ein enger Verbündeter des heutigen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan, bis es 2012 zum Bruch kam. Erdogan sieht in Gülen, der von seinem selbstgewählten Exil in den USA ein weltweites Netz von Stiftungen, Bildungseinrichtungen und Medien kontrolliert, den Drahtzieher des Putschversuchs vom Juli 2016. Gülen bestreitet die Vorwürfe.

Nach Angaben der Internetseite "Turkey Purge", die Erdogans "Säuberungen" dokumentiert, wurden nach dem Putschversuch fast 100.000 Menschen festgenommen. Von ihnen sitzen über 50.000 in Untersuchungshaft. Aus Sorge um die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei hatte die Parlamentarische Versammlung des Europarats am Dienstag mit großer Mehrheit beschlossen, das Land unter Beobachtung zu stellen.

Die Bundesregierung sieht angesichts der aktuellen Spannungen im deutsch-türkischen Verhältnis im Moment keinen Anlass, die Türkei wirtschaftlich zu unterstützen. Es gebe zur Zeit neben der Verhaftung des "Welt"-Journalisten Deniz Yücel noch eine Reihe von Problemfeldern, "das lässt uns zurückhaltend sein, was Diskussionen über Wirtschaftshilfen angeht", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Kritisch sieht die Bundesregierung nach seinen Worten auch die jüngsten Massenfestnahmen.

Neue Kritik gibt es auch am Zustand der Pressefreiheit in der Türkei. In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" ist die Türkei weiter abgestiegen. Nach Platz 151 im vergangenen Jahr belegt sie nun Rang 155 unter 180 beobachteten Ländern.

(höh/dpa)
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