Neuer SPD-Parteichef 100 Prozent Schulz

Berlin · Bei einem Sonderparteitag in Berlin feierte die SPD ihren neuen Parteichef Martin Schulz hymnisch.

 Die SPD-Delegierten applaudieren ihrem neuen Parteivorsitzenden Martin Schulz (M.). Links von ihm (verdeckt) steht die Spitzenkandidatin der saarländischen SPD, Anke Rehlinger, rechts von ihm Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht, Vorgänger Sigmar Gabriel und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz.

Die SPD-Delegierten applaudieren ihrem neuen Parteivorsitzenden Martin Schulz (M.). Links von ihm (verdeckt) steht die Spitzenkandidatin der saarländischen SPD, Anke Rehlinger, rechts von ihm Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht, Vorgänger Sigmar Gabriel und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz.

Foto: dpa

Mit einem Rekordergebnis schickt die SPD ihren neuen Parteichef Martin Schulz ins Rennen ums Kanzleramt. 100 Prozent der Delegierten beim Sonderparteitag in Berlin gaben dem früheren Europa-Parlamentspräsidenten ihre Stimme — 605 von 605 gültigen Stimmen. Das bislang stärkste Ergebnis für die Wahl zum SPD-Parteichef liegt fast 70 Jahre zurück: 1948 bekam Kurt Schumacher 99,7 Prozent der Stimmen. Wie berauscht jubelten die Sozialdemokraten fünf Minuten lang dem Merkel-Herausforderer zu.
"Ich glaube, dass dieses Ergebnis der Auftakt zur Eroberung des Kanzleramts ist, deswegen nehme ich die Wahl an", sagte Schulz, der sich durchweg kampfeslustig gab. Vor seiner Wahl hatte der 61-Jährige eine Stunde lang ein rhetorisches Feuerwerk gezündet, ohne inhaltlich allzu konkret zu werden.

Allein in der Sozialpolitik ließ er einige Konturen erkennen. Schulz versprach gebührenfreie Bildung von der Kita bis zum Meisterbrief und Hochschulabschluss. Er wiederholte seine Ankündigung, die Bundesagentur für Arbeit in eine Agentur für "Arbeit und Qualifikation" umzubauen. Den Begriff Agenda 2010 mied Schulz. Stattdessen sprach er "von einer Fortentwicklung unserer Arbeitsmarktreformen". Gemeinsam mit Parteikollegin und Familienministerin Manuela Schwesig will er ein Konzept für "Familienarbeitszeit" vorlegen, was wohl auf eine Verlängerung und weitere Flexibilisierung des Elterngeldes hinausläuft.

Trotz seines kämpferischen Tonfalls versprach Schulz einen fairen Wahlkampf. "Mit mir wird es keine Herabwürdigung des politischen Gegners geben", rief er in den Saal und bedachte die Union nur mit zahmer Kritik. Er nannte deren Steuersenkungsversprechen einen "alten Wahlkampfschlager".

Den meisten Zwischenapplaus wiederum erhielt er für seine Angriffe auf die AfD und sein Plädoyer für eine freie Presse. Die AfD sei "eine Schande für die Bundesrepublik", erklärte Schulz. Die Feinde der Freiheit und der Demokratie hätten in der SPD den entschiedensten Gegner.

Der Parteitag war nach dem Vorbild amerikanischer Stadthallen-Treffen im Rund angeordnet. Vor der Halle fuhr die Junge Union auf der Spree mit einem spöttischen Banner an Bord: "Gottkanzler, wenn Du über das Wasser laufen kannst, komm rüber."

JU-Chef Paul Ziemiak kritisierte Schulz' Ansprache: "Ich habe eine Rede voller Widersprüche gehört. So werden die von Schulz zitierten hart arbeitenden Menschen noch härter arbeiten müssen, wenn sie die Versprechungen des SPD-Parteichefs am Ende mit ihren Steuern und Abgaben bezahlen müssen." Schulz machte sich auch den Spruch der NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zu eigen, wonach kein Kind zurückgelassen werden dürfe. "Dabei ist in NRW die Kinderarmut in den vergangenen Jahren am stärksten gestiegen", sagte Ziemiak. Schulz werde die Erwartungen, die er wecke, nicht erfüllen können.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch erklärte, mit der Union könne die SPD ihre Vorstellungen von Gerechtigkeit nicht umsetzen. Er drängte Schulz, eine große Koalition unter Merkel für sich auszuschließen. "Ich fordere Martin Schulz auf, klar zu sagen, dass er nicht in ein Kabinett Merkel geht", sagte Bartsch.

Der bisherige SPD-Parteichef Sigmar Gabriel wurde von seiner Partei mit viel Lob dafür verabschiedet, dass er den Platz für Schulz geräumt hat. Zwischenzeitlich standen dem Außenminister die Tränen in den Augen. "Diese Entscheidung ist dir nicht leicht gefallen", sagte Kraft. Gabriel verwirrte am Ende seine Partei, weil er seine Rede um 30 Minuten überzog.

(jd / qua)
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