Hempstead 1:0 für Clinton

Hempstead · Das erste TV-Duell Hillary Clintons mit Donald Trump ist vorbei, und die Demokratin hat es für sich entschieden, weil sie sachlich und unaufgeregt blieb - anders als ihr Kontrahent.

Spätestens auf halber Strecke ist klar, wer an diesem Abend das bessere Ende für sich haben wird. Donald Trump prahlt damit, dass er so eine Fernsehdiskussion aus dem Stegreif bestreite, ohne sich vorher tagelang im stillen Kämmerlein einschließen zu müssen. Überall im Land sei er gewesen, sagt er, während Hillary Clinton es vorgezogen habe, zu Hause zu üben. Sie mustert ihn kurz, wirkt amüsiert, dann pariert sie: "Ich glaube, Donald hat mich eben dafür kritisiert, dass ich mich vorbereitet habe auf diese Debatte. Ja, das habe ich getan. Und wissen Sie, was ich noch getan habe? Ich habe mich darauf vorbereitet, Präsidentin zu sein."

Es ist das erste von insgesamt drei TV-Duellen, und wenn es nur nach der Qualität des Debattenauftritts geht, ist die frühere Außenministerin ihrem Ziel, als erste Frau den Chefposten im Oval Office zu übernehmen, ein Stück näher gerückt. In den 90 Minuten, in denen sie mit Trump auf dem Podium der Hofstra University bei New York steht, wirkt sie abgeklärt, aber nicht abgehoben. Mal lächelt sie souverän, mal hört sie gelassen zu, wenn er sie attackiert. Sie hat sich voll unter Kontrolle, während er zunehmend fahrig wirkt, gegen Ende so müde und ausgelaugt, dass Kritiker fragen, ob nicht Trump es sei, dessen Gesundheitszustand man genauer unter die Lupe nehmen müsse. Clintons Lungenentzündung, ihr Zusammenbruch am 11. September: für den Moment scheint es vergessen.

Trump schnieft, er schürzt missbilligend die Lippen, fällt ihr ständig ins Wort. Bisweilen lässt er eher an einen notorischen Zwischenrufer denken als an einen Mann, der ernsthaft um die Wählergunst buhlt. Offensichtlich verlässt er sich auf das Rezept, mit dem er seine Gegenspieler bei den Vorwahlen der Republikaner in die Knie zwang. Doch während er einen Jeb Bush oder Marco Rubio mit vulgären Beleidigungen aus der Bahn warf, sieht er bei Clinton, der Verkörperung professioneller Selbstdisziplin, damit keinen Stich. Irgendwann dreht sie den Spieß um, hält ihm Köder hin, nach denen er prompt schnappt.

Als es um die Strategie im Ringen mit dem IS geht, beschwert er sich darüber, dass die Ex-Ministerin auf ihrer Website darlege, wie sie den IS bekämpfen wolle. Dem Feind anzukündigen, was man zu tun gedenke, sei doch naiv, poltert er. Nun, erwidert Clinton, wenigstens habe sie einen Plan. "Kein Wunder, wenn Sie Ihr ganzes Erwachsenenleben lang gegen den IS gekämpft haben", schießt er zurück. Eine absurde Behauptung: Clinton ist 68, die Terrormiliz erst vor wenigen Jahren entstanden. Sie habe das Gefühl, kontert sie kühl, dass sie am Ende des Abends an allem, was schieflaufe, schuld sein werde.

Dass er seine Steuererklärung unter Verschluss hält, obwohl ungeschriebene Gesetze verlangen, dass ein amerikanischer Präsidentschaftsbewerber sie offenzulegen hat? Trump begründet es mit so fadenscheinigen Argumenten, dass nicht nur seine Rivalin auf der Bühne, sondern der halbe Saal lachen muss. Vielleicht liege es ja daran, dass Herr Trump gar nicht so reich sei, wie er immer behaupte, stichelt Clinton. Vielleicht spende er nicht so großzügig, wie er es darstelle. "Oder vielleicht soll das amerikanische Volk nicht erfahren, dass er dem Bund überhaupt keine Einkommensteuern zahlt." Das wäre doch schlau, antwortet der Milliardär und fügt hinzu, dass Steuergelder so nur verschwendet würden. Es klingt, als rede der Börsenbroker Gordon Gekko aus dem Achtzigerjahre-Hollywoodstreifen "Wall Street". Spätestens an diesem Punkt, urteilen US-Kommentatoren am nächsten Tag, hat Trump an diesem Abend die Schlacht um die politische Mitte verloren.

Dabei sah es anfangs so aus, als stünde ein Donald Trump auf der Bühne, der vergessen lassen wollte, wie flegelhaft er sich über weite Strecken des Wahlkampfs benahm. Relativ sachlich sprach er über das Thema, mit dem er es geschafft hat, die weiße Arbeiterschaft in strukturkrisengeplagten Industrieregionen für sich zu gewinnen. Er sprach über Fabriken, die nur noch Ruinen sind, weil sich in China oder Mexiko billiger herstellen lässt, was sie einst produzierten. Über Verlierer der Globalisierung, denen das Establishment außer schönen Worten nichts zu bieten habe. Zu Recht warf er Clinton vor, im Streit um das angepeilte transpazifische Handelsabkommen TPP eine opportunistische Kehrtwende vollzogen zu haben. Mit solchen Sätzen erzielt er Wirkung, weshalb er sie bis zum 8. November noch oft wiederholen dürfte.

Es ändert jedoch nichts daran, dass er zum Auftakt der klare Verlierer ist. Eine Blitzumfrage von CNN erhärtet den ersten Eindruck: 62 Prozent der Befragten sehen Clinton vorn, während gerade mal 27 Prozent Trump für den Sieger des Duells halten.

(RP)
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