Wenn Obst baden geht

Bowle klingt nach süßer Plörre und war jahrelang aus dem Fokus geraten. Nun ist sie wieder da: Weil Genuss verbindet und sie sich nur für viele Gäste wirklich lohnt.

Auch von Vanille-Eis kann man am nächsten Morgen einen Kater haben - zumindest, wenn es die Verbindung mit Hochprozentigem und Dosenfrüchten eingeht. "Schlammbowle" hieß das in den 80ern und 90ern beliebte Gemisch, und irgendwie ist diese wirklich unansehnliche, geschmacklich fragwürdige und halb geschmolzene Pampe vermutlich Schuld daran, dass einige Erwachsene heute Probleme mit der Bowle haben. Oder sie erinnern sich an quietschig-süße Erdbeerbowlen, deren Früchte so schmeckten, als wären sie selbst schon auf einem guten Weg, sich in Alkohol zu verwandeln.

Dabei ist die Bowle besser als ihr Ruf, sagt der international renommierte Bar-Experte Stephan Hinz, und obwohl das viele anders sehen, sei sie nie wirklich weg gewesen. Viele trinken sie zum Beispiel im Sommerurlaub als Sangria - auch das ist Bowle. "Es stimmt aber, dass sie in den vergangenen Jahren an zusätzlicher Popularität gewonnen hat", betont der Inhaber der Kölner Bar "Little Link" und der "Agentur Cocktailkunst". Das Verständnis für Zutaten und der Anspruch an gute Getränke habe sich verstärkt. "Das führt dazu, dass man die Bowle nicht mehr als Möglichkeit sieht, um schlechte Zutaten zu kaschieren, sondern sie als eigene Genussform begreift." Außerdem sei der Gedanke des Teilens wichtig in der modernen Gastronomie: "Genuss verbindet!" Erst recht bei der Bowle, die sich allein schon von ihrem Ausmaß eher für eine größere Gästerunde eignet.

Das Mixgetränk auf Wein-, Sekt oder Schnaps-Basis bietet unbegrenzte Möglichkeiten. "Allgemein sind moderne Bowlen etwas weniger süß", sagt Hinz. Fruchtnoten und süße Bestandteile würden zum Beispiel durch herbe Zutaten, Gewürze und frische Kräuter balanciert. Neben Früchten landet auch immer häufiger Gemüse in einer Bowle: Gurke zum Beispiel oder Rhabarber, der botanisch gesehen keine Frucht ist. "Bei ,Cocktailkunst'-Events oder im ,Little Link' haben wir für Kunden zum Beispiel schon Bowle mit Eukalyptus, Tee, Lavendel oder Rosenblättern zubereitet", erklärt der Kölner Barkeeper.

Der Erfolg einer Bowle hängt vor allem an der richtigen Kühlung. Je mehr Eis in der Schüssel ist, umso länger bleibt die Bowle kalt und umso langsamer verwässert die Mischung - gerade an heißen Tagen mag niemand lauwarme Plörre. Am besten verzichtet man auf Eiswürfel und verwendet stattdessen einen großen Eisblock, rät Hinz. "Der kühlt durch sein gutes Verhältnis von Oberfläche zu Volumen besonders lange." Solche Eisblöcke lassen sich auch zu Hause herstellen, indem man einfach eine große Plastikbox mit Wasser füllt und für eine Nacht ins Gefrierfach gibt. Der kleine Eisberg hält stundenlang.

Dass die Bowle schon unter mangelder Popularität leidet, ist auch daran zu erkennen, dass vermutlich in keinem Unter-50-Haushalt noch ein Bowle-Set vorhanden ist. Früher gab's diese in nahezu jedem Barschrank. Wer auf den Geschmack gekommen ist, muss auch nicht direkt in das Gefäß samt Tässchen und Spießen investieren. Es geht auch ohne - es genügen eine Salatschüssel, eine Schöpfkelle und Gläser mit einer großen Öffnung. "Die ganz Verzweifelten können ja zur Blumenvase greifen", sagt Hinz.

(RP)
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