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Karl-Arnold-Preis Weltrekordler der Stammbäume

Düsseldorf · Der indische Informatiker Shijulal Nelson-Sathi bekommt heute den Karl-Arnold-Preis. Er erforscht die Genome von Kleinstlebewesen.

Den neuen Träger des Karl-Arnold-Preises darf man als Grenzgänger bezeichnen - dieser Begriff passt gleich in mehrfacher Hinsicht. Shijulal Nelson-Sathi hat in seinem Heimatland Indien studiert, arbeitete in Taiwan und forscht jetzt an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Aber der 32-Jährige sucht auch den Kontakt zu verschiedenen Fachbereichen. "Shiju", wie ihn die Kollegen nennen, hat die Entwicklung von Sprachen erforscht und studiert jetzt die Evolution von Bakterien.

Nelson-Sathi ist Informatiker. Das Spezialgebiet des Inders liegt im Vergleich und in der Ordnung riesiger Datenmengen. "Seine Ergebnisse haben unser Verständnis der Evolution bereichert und international den Stand der Technik in der Genomanalyse angehoben", heißt es in der Begründung der Jury der nordrhein-westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste, die heute den Preis an den Nachwuchswissenschaftler vergibt.

Dr. Nelson-Sathis Welt sind die kleinsten Lebewesen, Prokaryoten genannt: Bakterien und Archaeen, die milliardenfach in unserer Umgebung vorkommen. Die Erbgut-Analyse dieser Mikroorganismen brachte ein erstaunliches Resultat. "Bei Tieren und Pflanzen wissen wir, dass es in der Evolution einen Stammbaum gibt, die Arten haben sich aus bestimmten Vorfahren weiterentwickelt", erklärt Bill Martin, Leiter des Instituts für Molekulare Evolution. Doch bei den Bakterien scheint die biologische Entwicklung über einen anderen Mechanismus zu verlaufen. "Die DNA-Analysen zeigen, dass Prokaryoten ihre Gene über Artgrenzen hinweg einfach austauschen", sagt Nelson-Sathi. Dieser Gen-Transfer ist für die Evolution der Mikroorganismen wesentlich wichtiger als der klassische Stammbaum. Während bei zwei Menschen etwa 99 Prozent des Erbguts identisch sind, gibt es bei den Genen zweier Stämme der E-coli-Bakterien nur zu 70 Prozent Übereinstimmung, bei 60 Stämmen sind es nur noch 25 Prozent.

Der Informatiker hat dafür Hunderttausende Gene in zigtausenden Kleinstlebewesen miteinander verglichen, nach Abstammungsmustern gesucht und Unterschiede dokumentiert. Vermutlich hält Nelson-Sathi den Weltrekord, was die Anzahl der berechneten Stammbäume betrifft. "Die traditionellen Analysen nutzten nur ein Prozent der genetischen Daten, wir verwenden hingegen alle Gene des Erbguts", erklärt er. Das sei im Moment weltweit einzigartig. Die Rechnungen des Software-Experten beschäftigen die Großrechner teilweise Wochen. "Das Zentrum für Informations- und Medientechnologie der Uni Düsseldorf hat uns sehr geholfen", sagt er.

Shijulal Nelson-Sathis Forschung ist aber nicht rückwärtsgewandt, denn der Gen-Transfer der Bakterien ist ein wesentlicher Mechanismus, über den sich beispielsweise Antibiotika-Resistenzen verbreiten. "Wir müssen die Evolution und den Gen-Austausch bei diesen Krankheitserregern besser verstehen, damit wir immer einen Schritt voraus sein können", sagt der Inder. Die Erbgut-Analysen haben die Düsseldorfer nicht selbst gemacht; Tausende Bakterien-Genome stehen in großen Datenbanken zur Verfügung.

"Aber eine solche Datensammlung beantwortet noch keine Fragen", erklärt Nelson-Sathi, Die moderne Biologie ertrinkt in Daten und benötigt Informatiker zur Auswertung. Für ihn sei die kreative Atmosphäre mit den Biologen an der Uni sowie mit Statistikern und Mathematikern, die in das Projekt eingebunden sind, der Schlüssel zum Erfolg, sagt er.

Die Geheimnisse des Bakterien-Erbguts sind längst noch nicht vollständig verstanden. Nelson-Sathi hat nomadisierende Gene entdeckt, die für einen bestimmten Zeitraum in manchen Bakterien vorkommen, dann dort verschwinden und in anderen Mikroorganismen wieder auftauchen. Interessant ist auch die Frage, wie der Erreger der Pest, der jahrhundertelang für Menschen ungefährlich war, plötzlich seine tödliche Kraft entwickeln konnte.

Seit dem Jahr 2009 arbeitet der Informatiker in Düsseldorf. "Eigentlich ist es als Nachwuchsforscher üblich, dass man irgendwie die Universität wechselt", sagt er, aber die Bedingungen hier am Rhein seien derzeit einzigartig. Aber natürlich will er später eine eigene Arbeitsgruppe gründen.

(rai)
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