Überraschung mit Folgen Studie sagt "Schüler-Boom" voraus

Berlin · Weil es bis 2025 mehr Schüler geben soll als heute, müssen die Länder laut einer Studie erheblich in Lehrer und Schulgebäude investieren. Bisher ging man von einem Rückgang der Schülerzahlen aus.

 15 Jahre lang sanken die Schülerzahlen. Jetzt ist die Wende da.

15 Jahre lang sanken die Schülerzahlen. Jetzt ist die Wende da.

Foto: dpa

Deutschland steht vor einer bildungspolitischen Herausforderung. Bis 2025 soll die Zahl der Kinder und Jugendlichen an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland um vier Prozent steigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung. Das würde bedeuten, dass die Bundesländer deutlich mehr in Lehrer und Gebäude investieren müssen. Bislang war die Kultusministerkonferenz (KMK), der Zusammenschluss der Bildungsministerien der Länder, davon ausgegangen, dass die Zahl der Schüler sinken wird. Während die KMK mit 7,2 Millionen Schülern im Jahr 2025 rechnet, gehen die Autoren der Bertelsmann-Studie von 8,3 Millionen aus.

Nachdem 15 Jahre lang die Zahlen kontinuierlich gesunken seien, kündige sich für die Zukunft nun ein "Schüler-Boom" an. Grund dafür seien steigende Geburtenzahlen und verstärkte Zuwanderung. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, sagte: "Jetzt besteht enormer Handlungsdruck. Viele Bundesländer müssen komplett umdenken." Es gibt indes erhebliche regionale Unterschiede. Während die Schülerzahlen im Osten wieder sinken sollen, steigen sie im Westen mit dem Bundestrend und in den Stadtstaaten noch stärker.

"Demografischer Wandel ade"

Für die Studie "Demografischer Wandel ade" haben die Autoren Klaus Klemm und Dirk Zorn die Bevölkerungsvorausschätzung des Statistischen Bundesamtes von März 2017 mit den jüngsten Geburtenzahlen mit Blick auf die Entwicklung der Schülerzahlen untersucht. Die Autoren weisen darauf hin, dass es sich bei ihren Ergebnissen lediglich um Prognosen handelt, die von der tatsächlichen Entwicklung abweichen könnten.

Am stärksten von dem Anstieg betroffen sind Grundschulen, die steigende Geburtenzahlen naturgemäß als Erste zu spüren bekommen. Die Studie geht davon aus, dass dort im Jahr 2025 gegenüber heute 24.110 Lehrer fehlen. Auch der Raumbedarf steige. Es seien 2400 mehr Grundschulen notwendig. Später treffe diese Entwicklung auch die weiterführenden Schulen. Viele bestehende Schulen gelten als marode. Die Förderbank KfW schätzt den bundesweiten Investitionsstau in diesem Bereich auf 34 Milliarden Euro. Für 2030 rechnet die Studie mit jährlich um 4,7 Milliarden Euro höheren Bildungsausgaben als heute.

Frage der Finanzen

Trotz der ursprünglich angenommenen sinkenden Schülerzahlen wollten die Länder das Budget auf gleichem Niveau halten. So sollten etliche Investitionen im Bildungsbereich finanziert werden. Diese "demografische Rendite" bleibt wohl nun aus. Das Schulministerium in Nordrhein-Westfalen regt an, die nächste Vorausberechnung der KMK nicht erst Ende 2018, sondern bereits vor Ende des neuen Schuljahres vorzulegen. Eine "treffsichere Schulentwicklungsplanung" sei wichtig, teilte das Ministerium mit. Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, schätzte den Mehrbedarf an Gymnasiallehrern bis 2030 auf mehr als 10.000. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert mehr Geld für Lehrkräfte, Fachpersonal sowie Sanierung und Ausbau von Gebäuden.

Klaus Hurrelmann, Bildungsforscher an der Hertie School of Governance in Berlin, hält die Studie seiner Kollegen für "sehr seriös". Er sagte: "Der Bildungspolitik beschert das nun ganz neue Herausforderungen, mit denen bisher keiner gerechnet hatte." In NRW verschärfe sich die Problematik, weil die Regierung die gymnasiale Schulzeit wieder auf neun Jahre verlängern will. "Das bringt noch einmal mehrere Tausend zusätzliche Schüler ins System", sagte Hurrelmann.

(her)
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