Krefeld Stoff der Luxusklasse

Krefeld · Das Deutsche Textilmuseum Krefeld zeigt seidene Prachtstücke aus der eigenen Sammlung von den Anfängen der Seidenstraße bis zur Haute Couture.

Ein Kleid von Dior! Im Wirtschaftswunderdeutschland ließen sich weibliche Sehnsüchte in diesen vier Worten zusammenfassen. Christian Dior galt als Inbegriff des französischen Chics und der Luxusträumereien. Nach den kargen Kriegsjahren, in denen Langlebigkeit und Funktion wichtiger waren als schicker Schnitt, galten die figurbetonenden Kleider mit den schmalen Taillen und den schwingenden Röcken aus verschwenderisch viel Stoff als modische Offenbarung. Wer 1955 in einem Modell wie "Circé" aus feinster himbeerroter Atlasseide zur Cocktailparty ging, war der Hingucker. Mit der üppigen Taillenschleife ist es neben anderen Haute-Couture-Kleidern von Dior und Balmain eines der Glanzstücke, die das Deutsche Textilmuseum in Linn in seiner Ausstellung "Seide - Textile Pracht aus 2000 Jahren" präsentiert. 242 seidene Kleider und Objekte aus der eigenen Sammlung des Museums erzählen nicht nur die Geschichte Krefelds, die als Seidenstadt im 18. Jahrhundert zu Reichtum gekommen ist, sondern auch die Geschichte der Seidenstraße, die vor 2000 Jahren von China aus Ost- und Mittelasien mit dem Mittelmeerraum verband.

Seide, der kostbarste Stoff der Welt, beflügelt seit dem 2. Jahrtausend vor Christus die Modefantasien. In China gab es damals die ersten zarten Gewebe. Doch erst in der Han-Dynastie setzte der geschäftstüchtige Wu, der von 141 bis 87 v. Chr. als Kaiser herrschte, Seide als Handelsgut ein. Das Geschäft mit dem Stoff der Luxusklasse florierte. Denn Seide, die aus den feinen Kokonfäden hochempfindlicher Raupen gewonnen wurde, war dem Adel, später auch dem Klerus vorbehalten. Entlang der Route, die die Dromedare mit ihrer kostbaren Fracht nahmen, blühten Städte auf. Aus einer kleinen Oase entwickelte sich die Handelsmetropole Palmyra. Im Römischen Reich wurde der Tross mit den Luxusgütern Purpur, Glas und Seide immer sehnsüchtig erwartet. "Weil viele von der Seide fasziniert waren, gab es strenge Regelungen, wer sie tragen durfte", sagt Annette Schieck, Leiterin des Textilmuseums. "Aber diese Kleiderordnungen wurden immer wieder unterlaufen." Es habe regelrechte Kampagnen gegeben, die das glänzende Material als weibisch deklassieren sollten. Ohne Erfolg.

Im Erdgeschoss des Textilmuseums, das über eine Sammlung von fast 30.000 Objekten verfügt, können Besucher die Seidenstraße auf einer Karte nachvollziehen. Der Besucher darf sich ein bisschen als Entdecker einer fernen Zeit fühlen und in eine geheimnisvolle Welt vordringen, in der das Licht auf schummrige 50 Lux gedimmt ist, um die empfindlichen Stoffe zu schonen. Die Faszination der Vorfahren versteht, wer die alten Stofffragmente und Gewänder betrachtet. Ältestes Exponat ist ein persisch-sassanidisches Muster aus dem 6. Jahrhundert, das einen berittenen Bogenschützen zeigt. Weitere frühe Fragmente und eine Nachwebung von 1894 belegen eine faszinierende Technik der Handarbeiter: In hauchfeinen Fäden sind kleine Gemälde entstanden, detailliert bis zu den eingewebten Halsketten, deren Perlen kaum größer als eine Stecknadelspitze sind. Zeugnisse aus Ägypten des 5. bis 8. Jahrhunderts und reiche Belege für die Webekunst im Mittelalter erzählen, wie sich die Vorlieben für religiöse oder florale Muster entwickelten.

Das Obergeschoss ist ein Catwalk der Galamode. In Glasvitrinen präsentieren Figurinen, was in osmanischen Adelskreisen oder am persischen Hof im 17. Jahrhundert en vogue war. Säuglingskleider ähnelten in Deutschland um 1760 frappierend den Abendkleidern der feinen Damen. Wer wenig Gelegenheit hatte, Seide bei gesellschaftlichen Anlässen zu tragen, wählte sie zumindest für die Hochzeit. Wenn das Geld knapp war, am besten in Schwarz, denn die kostbaren Anschaffungen wurden dann umgearbeitet, weitergetragen und oft sogar vererbt. Wie aufwändig die Mode gefertigt wurde, belegt ein dreiteiliger Herrenanzug aus Seide und Samt, den ein Höfling Napoleons sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat maßschneidern und mit Gold- und Silberfäden besticken lassen.

Die Geschichte unserer Vorfahren lässt sich auch im benachbarten Museum Burg Linn vertiefen. Die Wasserburg, ehemals eine kurkölnische Landesburg, ist die am besten erhaltene, wenn nicht einzige Flachlandburg aus dem 13. Jahrhundert und ein Aushängeschild für die damals moderne Backsteinbauweise. Im Inneren sind Zeugnisse aus dem größten fränkischen Gräberfeld nördlich der Alpen zu finden, unter anderem der legendäre Goldhelm des Fürsten Arpvar. Ritterrüstungen und das noch erhaltene Schlafzimmer eines Renaissance-Kurfürsten, das Verlies und die Ritterrüstungen regen in der Burg die Fantasien an.

Deutsches Textilmuseum, Andreasmarkt 8, 47809 Krefeld. Die Ausstellung "Seide - Textile Pracht aus 2000 Jahren" ist zu sehen bis zum 28. August. Museum Burg Linn, Rheinbabenstraße 85, 47809 Krefeld. Öffnungszeiten beider Häuser dienstags bis sonntags 11-17 Uhr, ab 1. April 10 bis 18 Uhr.

(RP)
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