Paris Neuer Raum für Rodin

Paris · 16 Millionen Euro hat der Umbau des Rodin-Museum in Paris gekostet. Nach drei Jahren ist es nun wieder geöffnet - der Besuch lohnt.

Catherine Chevillot mag keine Museen, in denen die Besucher lange Erklärungen lesen müssen. "Die Werke sollen ganz allein zu uns sprechen", sagt die Leiterin des Musée Rodin, das nach dreijähriger Renovierung nun wieder geöffnet hat. Die energische 54-Jährige lässt die Skulpturen des französischen Bildhauers deshalb ohne viele Worte auf die Besucher wirken. Das fällt ihr leicht, bietet das runderneuerte Hôtel Biron neben dem Invalidendom im siebten Pariser Stadtbezirk doch genau den richtigen Rahmen. Auguste Rodins Sekretär Rainer Maria Rilke hatte das Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert mit seinem drei Hektar großen Park entdeckt. In einem Brief pries der Schriftsteller die Schönheit des damals noch völlig verwilderten Gartens, "in dem man von Zeit zu Zeit einfältige Hasen über die Spaliere hüpfen sieht". Künstler wie Henri Matisse, Jean Cocteau oder Isadora Duncan nutzten das einstige Nonnenkloster.

Rodin begann 1908, dort zunächst in vier Räumen im Erdgeschoss seine Mäzene und Kunden zu empfangen - eine Art "Showroom" der damaligen Zeit. Ein Jahr vor seinem Tod 1917 verfügte Rodin, den heruntergekommenen Prachtbau zum Museum zu machen, für das er im Gegenzug sein großes künstlerisches Erbe dem französischen Staat überließ. Nur ein kleiner Teil davon, nämlich 600 Werke, sind seit dieser Woche dort zu sehen. Damit wurde die Ausstellung um rund 200 Werke, darunter bisher unbekannte Gipsentwürfe, erweitert. Ein bisschen vollgestopft wirkt das Hôtel Biron dadurch - angesichts der Fülle von Rodins Oeuvre allerdings kein Wunder.

700.000 Besucher zieht das Museum jedes Jahr an, meist ausländische Touristen. Der Andrang hatte allerdings in den vergangenen Jahren das alte Parkett deutlich abgenutzt, das mit Spanplatten nur notdürftig geflickt wurde. Die Fenster des unter Denkmalschutz stehenden Palais waren undicht und von den Wänden blätterte die Farbe. 2012 begann deshalb die Renovierung des Hôtel Biron, die das Museum zum Anlass nahm, die Ausstellung zu einem einzigen Rundgang zusammenzulegen. Der unübersichtliche Weg durch Rodins Skulpturen, der im Obergeschoss von Büros unterbrochen wurde, ist nun zu einem Rundgang mit 18 Sälen geworden. "Es handelt sich nicht um einen ,neuen Rodin', sondern um einen neuen Blick auf den Künstler und sein Werk", erklärt die Museumsleitung. 16 Millionen Euro kostete die Renovierung, von denen der Staat knapp die Hälfte übernahm. Eine seltene Unterstützung, trägt sich das Museum doch ansonsten selbst - dank der Rechte an Rodins Originalbronzen, die gegen viel Geld überall in der Welt nachgegossen werden.

Chronologisch beginnt der Besuch mit der Jugend des Künstlers und endet mit seinen letzten Werken im frühen 20. Jahrhundert. Dazwischen hat Direktorin Chevillot zwei neue Themen-Säle eingefügt: über das Wirken Rodins im Hôtel Biron und den Einfluss der Antike auf den Bildhauer. "Die Antike ist meine Jugend", pflegte der Künstler zu sagen. 123 Stücke seiner mehr als 6000 Teile umfassenden Sammlung sind nun in einem neuen Saal zu sehen zusammen mit Rodins Skulptur "Der Schreitende", die deutlich Bezug nimmt auf die alten griechischen Statuen. Da die Säle in dem einstigen Stadtpalast klein sind, steht das wichtigste Werk Rodins stets in der Mitte des Raumes. Das gilt vor allem für Saal Nummer fünf, den der "Kuss" dominiert - jene zweieinhalb Tonnen schwere Marmorskulptur eines ineinander verschlungenen Paares. Im Zuge der Renovierung wurden die beiden weltbekannten Liebenden auch aufwändig gereinigt, ebenso wie andere Werke, die hinter dem Hauptoeuvre in Vitrinen an der Wand gezeigt werden.

Die Glaskästen und ihre Holzsockel aus Eichenholz sind bewusst einfach gehalten. "So diskret wie möglich" lautete die Devise von Architekt Dominique Brard. Rodin selbst setzte bei der Präsentation seiner Werke ebenfalls auf Schlichtheit: Die Skulpturen standen auf einfachen Holzkisten. Mit viel Liebe zum Detail achtete die Museumsleitung auch auf das Zusammenspiel zwischen Ausstellungsstücken, Wandfarbe und Holzverkleidung. Ein harmonisches "Trio" sollte entstehen, für das mit "Biron grey" ein ganz neuer Farbton entworfen wurde. Denn die schmutzig-weiße Farbe, die die Wände bis zur Renovierung hatten, bot nicht genug Kontrast zu den hellen Skulpturen. Für die Bronzestatuen war weiß wiederum zu hart.

Noch schwieriger als die Farbkomposition war bei der Renovierung allerdings die Frage der Beleuchtung. "Ein Zauber, der dem natürlichen Licht entspricht", war das Ziel von Architekt Brard. Mithilfe eines ausgefeilten Systems von computergesteuerten LED-Lampen wird nun das Licht je nach Tages- und Jahreszeit für jeden Saal einzeln geregelt, so dass die faszinierenden Einzelheiten von Rodins Körpern auch bei Regenwetter zu sehen sind.

Im Obergeschoss wurde die Ausstellung um Grafiken erweitert. Mit den 8000 Zeichnungen, die der Künstler hinterließ, hatte die Museumsleitung einen riesigen Fundus, aus dem sie schöpfen konnte. Zur Wiedereröffnung sind Zeichnungen, Fotografien und Manuskripte des Künstlers zu sehen, die das Museum zwischen 2006 und 2015 erwarb. Besonders beeindruckend: "Celle qui fut la belle Heaulmière" (Die, die einst die schöne Heaulmière war) - die Zeichnung einer alten Frau, die die Vergänglichkeit der Schönheit zeigt.

Neben der Grafik-Galerie ist auch ein Raum Rodins langjähriger Geliebter, der Bildhauerin Camille Claudel, gewidmet. Der Saal Nummer 16 wurde erst 1952 möglich, als der Bruder der Künstlerin, der Schriftsteller Paul Claudel, dem Museum deren wichtigste Werke "Das reife Alter", "Der Walzer" und "Die Schwätzerinnen" vermachte.

Die Krönung des Rodin-Museums steht allerdings im Garten: Fast 30 Meisterwerke in Bronze wie etwa "Balzac", "Die Bürger von Calais" oder "Victor Hugo".

Auch das mehr als sechs Meter hohe Höllentor ist dort zu sehen mit seinen mehr als 200 Figuren, von denen der Künstler einzelne noch einmal extra schuf, um ihnen so ihre eigene Bedeutung zu geben. Fragmentierung und Neuzusammensetzung gehörten zu den Techniken, mit denen der Bildhauer schier unerschöpflich neue Werke aus seinen alten entstehen ließ. Das beste Beispiel dafür ist "Der Denker" - zentraler Teil des Höllentors und daraus ausgegliedert die wohl bekannteste Skulptur Rodins.

Auch sie steht in dem malerischen Park, in dem inzwischen nicht mehr wie zu Rilkes Zeiten die Hasen hüpfen. Der beliebte Garten ist Ziel der nächsten Renovierung, die das Museum anstrebt. Die meisten der alten Bäume dort sind krank und müssen gefällt werden.

Das passiert allerdings erst, wenn Museumsdirektorin Chevillot wieder genug Geld in seiner Kasse hat.

(RP)
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