Düsseldorf Jackson Pollock vom Schmutze befreit

Düsseldorf · Seit Wochen reinigt Otto Hubacek, Chefrestaurator der Kunstsammlung NRW, eines der kostbarsten Stücke des Museums.

Restaurieren oder nicht restaurieren - das war lange Zeit die Frage. "Wir haben es uns nicht leicht gemacht", betont Marion Ackermann, die Direktorin der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW, wenn von einem der bedeutendsten Schätze ihres Museums die Rede ist: von Jackson Pollocks 2,70 mal 4,60 Meter messendem Bild "Number 32, 1950". Das Problem: Mit einer gelingenden Restaurierung kann man einiges gewinnen; geht die Sache aber schief, ist ein Werk von unschätzbarem ideellen Wert verloren. Von den vielleicht 100 Millionen Euro, die das Großformat auf dem Kunstmarkt erbringen würde, ganz zu schweigen.

Schon vor Monaten ist die Entscheidung für eine Restaurierung gefallen - selbstverständlich nicht ohne Absicherung. Otto Hubacek (63), Chefrestaurator der Kunstsammlung, hatte in New York Restaurierungen von Pollock-Gemälden verfolgt und sich auf dieser Grundlage für ein neues, schonendes Verfahren entschieden. Statt mit Bürstchen den Staub der vergangenen 65 Jahre von der Leinwand zu reiben, rückt er den Partikeln mit einem Feinstrahlgerät zu Leibe. Pulverartige Substanzen werden mit einem Druck von zwei Bar schräg auf die Lackfarbe des Bildes aufgetragen und im selben Arbeitsgang abgesaugt.

Blickt man auf behandelte und unbehandelte Flächen, die aneinandergrenzen, so zeigt sich, dass der weiß-beigefarbene Grund der aus schwarzen Farbbahnen bestehenden, ungegenständlichen Komposition leicht aufgehellt wird. Damit die Restaurierung keine eigenen Spuren hinterlässt, hat Restaurator Hubacek die Arbeit zur Chefsache erklärt. Quadratzentimeter um Quadratzentimeter saugt er den Staub höchstselbst von der Leinwand.

Man könnte denken, dass solch eine Arbeit rasch langweilig wird. Doch sie fordert den Restaurator, indem sie einiges ans Licht bringt, das auf keinen Fall beseitigt werden darf. Jene Kaffeeflecken zum Beispiel, die der Künstler darauf hinterlassen hat, und jene braune Farbe, die offenbar von einer benachbarten Leinwand im Atelier herüberkleckerte. Wichtig ist auch, dass die Restaurierung dem Bild den Glanz der Stellen belässt, an denen Pollock mehr schwarze Farbe auf die Leinwand träufelte, als diese aufnehmen konnte.

Zur Restaurierung zählt zudem, dass der alte, verzogene Rahmen durch einen neuen ersetzt wird und an seiner Rückseite einen Aufsatz als "Klimaschutz" bekommt. Zu diesem Zweck mussten jene Schildchen weichen, die über die vergangenen Leihstationen des Bildes Auskunft geben: die Kölner Schau "Westkunst" von 1981 zum Beispiel, mehrfach auch das New Yorker Museum of Modern Art, die Kasseler "documenta", das Centre Pompidou in Paris und die Kunsthalle Basel.

Anfang Februar wird "Number 32, 1950" wieder am Grabbeplatz zu sehen sein, mitsamt den übrigen Werken der Schausammlung, die zuletzt wegen Bauarbeiten am Museum ausgelagert waren. Werner Schmalenbach, der Gründungsdirektor der Kunstsammlung NRW, hatte Pollocks Bild 1964 mit Hilfe einer Spende des WDR für 650.000 D-Mark erworben.

Pollock machte etwas Neues. Er führte das "Action Painting", eine Malerei jenseits bewusster Beeinflussung durch den Künstler, zu einer ersten Blüte, indem er Farbe auf Leinwände träufelte und spritzte. Schon zu Lebzeiten nannte man ihn "Jack the Dripper".

Der hohe ideelle und materielle Wert dieser Dripping-Bilder beruht auch darauf, dass die entsprechende Schaffensphase nur fünf Jahre währte. Schon 1952 brachte Jackson Pollock kaum noch solche Werke hervor, 1953 kehrte er zu Pinsel und figurativer Malerei zurück. 1954 gab er das Malen schließlich auf, zwei Jahre später verursachte er mit seinem Cabrio unter Alkoholeinfluss einen schweren Autounfall, bei dem er 44-jährig starb.

Aus solchem Stoff bilden sich Mythen. Längst gilt Jackson Pollock als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Amerikanische und europäische Maler beriefen sich auf ihn, darunter auch Joan Miró.

(B.M.)
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