Washington Hinter den Wolken

Washington · Seit gestern umkreist die Nasa-Sonde Juno den Gasriesen Jupiter. Sie soll die Geheimnisse des Giganten in unserem Sonnensystem lüften. Dabei werden von ihr Perspektiven auf das Unsichtbare erwartet - ganz im Sinne der Mythologie.

Washington: Hinter den Wolken
Foto: Ferl

Zwischen den gewaltigen bunten Wolkenbändern sticht der "Große Rote Fleck" hervor. Fast wirkt das seit Jahrhunderten recht stabile Hochdruckgebiet wie das Auge des obersten römischen Gottes Jupiter, der Namensgeber des größten Planeten unseres Sonnensystems ist. Rund 780 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ist der Gasriese mit einem Äquatordurchmesser von knapp 143.000 Kilometer so groß, dass unsere Erde mehr als 1000 Mal in ihm Platz fände. Und mehr als 20 Jahre nachdem die Raumsonde Galileo Jupiter erreicht hatte, erhält der Gigant mit der 300-fachen Erdmasse nun erneut Besuch von der Erde: Juno, benannt nach der Gattin Jupiters, hat nach einem fünf Jahre währenden Flug den Gasriesen erreicht.

Dabei hat die Sonde 2,8 Milliarden Kilometer zurückgelegt und in der Schlussphase, als die Schwerkraft des Jupiter immer stärker wurde, eine Spitzengeschwindigkeit von 250.000 Kilometer pro Stunde bezogen auf die Erde erreicht - was Juno zu einem der schnellsten von Menschen gebauten Raumschiffe macht.

Um in eine Umlaufbahn um den Gasriesen einzuschwenken, musste die Sonde in der Nacht zu gestern extrem abgebremst werden. Sie war dabei auf sich allein gestellt. Signale von der Sonde zur Erde sind 48 Minuten unterwegs. Das ist zu lang, als dass im Notfall das Nasa-Team noch eingreifen könnte. Es war eine der kritischsten Phasen der gesamten Mission. Die Sonde streifte dabei den Jupiterring. Anders als beim Saturn ist der nicht so ausgeprägt und beeindruckend. Aber er ist vorhanden und besteht aus feinen Staubkörnern, die angesichts der Geschwindigkeit der Sonde bei einer Kollision eine verheerende Durchschlagskraft haben. Die Unwägbarkeit für die Nasa war, dass über diesen "Trümmerring" nur punktuell Daten vorliegen - aus denen die Wissenschaftler ein Modell der Verteilung des Staubs berechnet haben. Sicher konnten sie sich indes nicht sein, ob sie einen sicheren Kurs gewählt hatten.

In der ersten Phase wurde die Sonde über 35 Minuten nun so weit abgebremst, dass sie über den Jupiter-Nordpol in einen Orbit um die Pole einschwenken konnte. Für einen Umlauf wird Juno nun 53,5 Tage benötigen. Das aber ist noch nicht die endgültige Flugbahn. Das Ziel wird sein, im Oktober bei einem zweiten Bremsmanöver den finalen Orbit mit einer Umlaufzeit von 14 Tagen zu erreichen. Diese Bahn wird die 3,5 Meter hohe und 3,5 Meter durchmessende, sechseckige Sonde bis zu 4200 Kilometer an die oberste Wolkenschicht des Gasriesen führen.

Dieser Orbit um die Pole hat den Vorteil, dass der Strahlungsgürtel, der wie eine Art Reifen um den Jupiter-Äquator liegt, weitgehend vermieden wird. Seine Ursache liegt im Magnetfeld des Planeten, in dem geladene Teilchen bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden und dann diese Strahlung erzeugen. Juno wird diesen Gürtel indes nur durchstechen und dann großräumig umkreisen. Und dennoch wird die Sonde im Laufe ihrer Mission so viel Strahlung ausgesetzt sein wie bei 100 Millionen Zahnarzt-Röntgenuntersuchungen in einem Jahr. Die Instrumente und der Computer sind darum in einer 18 Kilogramm schweren Titan-Box mit zehn Millimeter dicken Platten untergebracht.

Diese Bahn um die Pole sorgt auch dafür, dass Juno sich mit seiner sechseckigen Form stets so ausrichten kann, dass seine 18.698 Solarzellen in Richtung Sonne zeigen - um die Sonde mit Strom zu versorgen. Und die sind hocheffiziente, strahlungsresistente Neuentwicklungen an drei insgesamt neun Meter langen und 2,65 Meter breiten Armen. In der Erdumlaufbahn würden sie 14 Kilowatt Leistung generieren. Nur ist Jupiter fünfmal so weit von der Sonne entfernt wie unsere Heimat, und damit sinkt die Strahlungsintensität auf ein 25-stel des Wertes in der Erdumlaufbahn. Rund 500 Watt werden im Orbit um den Gasriesen noch erzeugt. Das aber macht Juno zur ersten Sonde, die sich so weit entfernt von der Sonne nur auf Solarzellen verlässt. Bereits am 13. Januar hatte sie den Rekord der europäischen Rosetta-Mission gebrochen, als sie sich in 793 Millionen Kilometer Entfernung von der Sonne nur auf Solarstrom verließ. Rosetta erreichte "nur" 792 Millionen Kilometer.

Möglich wird das, weil die Nasa Energie so effizient wie möglich einsetzt - und vor allem in den knapp drei Stunden der größten Annäherung an den Jupiter. Dann werden die Instrumente die Winde in der Atmosphäre, die Temperaturverteilung und ihre Zusammensetzung sowie den Wasseranteil messen. Andere Sensoren erfassen das Magnetfeld des Giganten, das etwa die 20-fache Stärke des Erdmagnetfeldes erreicht. Die Daten liefern Hinweise, was dieses Feld erzeugt und wie es unter der dichten Wolkendecke aussehen mag. Aber die Sonde wird noch mehr tun: Leichte Schwankungen der Jupiter-Schwerkraft werden erfasst, um herauszufinden, wie sich die Masse unter den Wolken verteilt. Damit wird die Sonde ihrem Namen gerecht: Juno konnte in der Mythologie durch die Wolken blicken und stets ihren Mann Jupiter erkennen, der auf der Erde gern in anderer Gestalt auftrat.

(jov)
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