Kai Ludwigs Glücksfall Familie

Der Direktor des Düsseldorfer Happiness Research Organisation fragt danach, was Glück ist. Geld ist ihm zufolge nur begrenzt bedeutsam.

Welche Faktoren beeinflussen das persönliche Glücksempfinden? Und was macht einen glücklichen Menschen aus? Derlei Fragen geht die Happiness Research Organisation nach, ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in Düsseldorf-Grafenberg.

Das Glück geriet in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus. Es gibt zahlreiche Glückscoaches und auch die Wissenschaft hat das Thema für sich entdeckt. Darf man aus all dem schließen, dass viele Menschen gar nicht wissen, was sie glücklich macht?

Ludwigs Das ist offenbar so, ja. Der Erfolg des Songs "Happy" von Pharell Williams ist, banales Beispiel, ein Indikator. Der war ja Nummer eins in zahlreichen Ländern. Oder die Tatsache, dass es, wie von Ihnen schon erwähnt, immer mehr Coaches und Trainings in dem Bereich gibt. Aber auch das Interesse an unserer Studie "Glücklich in Wuppertal", in deren Rahmen die Teilnehmer ein Glückstagebuch führen. Das ist einigermaßen zeitintensiv. Und trotzdem machen es viele Leute, weil sie herausfinden möchten, was sie glücklich macht.

Sie sind Psychologe und Ökonom. 2014 haben Sie die Happiness Research Organisation gegründet, ein Forschungsinstitut, das deutschlandweit einzigartig ist. Wie kamen Sie auf das Thema Glück?

Ludwigs Auf das Thema bin ich 2011 gestoßen, im Rahmen meines Bachelor-Studiums der Psychologie. Innerhalb der Psychologie hat mich das Gebiet der Positiven Psychologie gereizt. Bei dieser Strömung geht es weniger um Defizite, als um Themen wie Glück, Optimismus, individuelle Stärken, Verzeihen oder Solidarität. Dazu kam im Ökonomischen das Thema Bruttonationalglück statt Bruttosozialprodukt, dessen Ziel es ist, neben dem Geld andere Wohlfahrtsindikatoren zu finden. Dazu gab es bereits zahlreiche wissenschaftliche Publikationen. Viele der Daten basierten allerdings auf sogenannten Panel-Daten, für die Menschen lediglich einmalig gefragt werden, wie zufrieden oder glücklich sie sind. Das Ergebnis wurde dann in Bezug zu verschiedenen Demografie-Variablen gesetzt. So konnte man zwar ermitteln, welche Faktoren eine Rolle spielen, aber nicht, wie man das Wohlbefinden steigern könnte. Für letzteres haben wir dann die App "Happiness Analyzer" entwickelt.

Was beinhaltet diese App?

Ludwigs Zum einen 50 Fragen zum subjektiven Glücksempfinden. Dazu gibt es vier Mal täglich kurze Glücksbefragungen. Und das bereits erwähnte Glückstagebuch, das die Leute für eine Woche führen. Der Zeitaufwand für all das beträgt ungefähr anderthalb Stunden. Dafür bekommt man dann aber auch ein relativ umfangreiches Glücksprofil, aus dem hervorgeht, wo man glücklich ist, mit wem und bei welchen Aktivitäten.

Wie funktioniert das Glückstagebuch?

Ludwigs Das funktioniert so, dass die Menschen eine Woche lang jeden Tag in Episoden rekonstruieren und dann bewerten, wie glücklich sie wann waren. Das kann das Frühstück mit dem Partner sein, eine Besprechung mit Kollegen oder ein Abend im Freundeskreis. Allein dieses Befassen mit dem persönlichen Glück hat einen positiven Effekt, steigert das Glücksempfinden. Das konnten wir nachweisen.

Und welche Faktoren sind es, die das Glück des Einzelnen beeinflussen?

Ludwigs Das ist schwierig zu beantworten, weil es individuell sehr unterschiedlich ist. Aber es gibt schon ein paar Faktoren, die bei den meisten Menschen hineinspielen: Das Einkommen hat zum Beispiel einen Einfluss, allerdings auch nur bis zu einem bestimmten Level.

Wo liegt die Grenze?

Ludwigs Ungefähr bei 2500 Dollar Netto-Einkommen pro Person. Alles darüber ist nice to have, hat aber keine starken Effekte mehr.

Welche Faktoren spielen darüber hinaus eine Rolle?

Ludwigs Gute Beziehungen innerhalb der Familie, eine stabile Partnerschaft, Gesundheit. Die Daten spiegeln das leicht kitschige Bild von einem guten Leben wider.

Dass Geld allein nicht der Schlüssel zum Glück ist, zeigt auch das Beispiel des Landes Bhutan. Bhutan ist eines der ärmsten Länder der Welt, liegt aber beim Glücksindex auf Platz eins. Gibt es Länder oder Kulturen mit einem größeren Talent zum Glücklichsein?

Ludwigs Es gibt auf jeden Fall starke kulturelle Unterschiede. In westlichen Ländern wie zum Beispiel Deutschland hat man, was das Glück angeht, einen indirekten Ansatz. Man möchte ein höheres Einkommen haben. Familie. Ein eigenes Haus. Wenn all das erreicht ist, so die Annahme, kommt das Glück. In anderen Kulturen fokussiert man sich von Anfang an darauf, was Glück für einen eigentlich bedeutet. Costa Rica ist ein gutes Beispiel. Dort schätzen die Menschen ihr Leben sehr glücklich ein, obwohl viele klassische Faktoren gar nicht so positiv sind. Im Negativen ist Russland zu nennen. Die Menschen dort empfinden sich als eher unglücklich. Das hat sicher viel mit der politischen Situation zu tun.

Sie kooperieren mit dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Gemeinsam haben sie die App "Glücklich in Wuppertal" vorgestellt. Wie entstand die Idee?

Ludwigs 2014 traf ich auf einer Konferenz in Berlin eine Forschergruppe aus Seoul, die sich nicht mit dem individuellen, sondern mit dem kommunalen Wohlbefinden auseinandersetzte. Bis zu dem Zeitpunkt war man davon ausgegangen, dass die Summe des individuellen Wohlbefindens das kommunale Wohlbefinden ergibt. Die Forscher aus Seoul hinterfragten das. Diesen Ansatz fand ich sehr spannend. Genau an dem Punkt setzt "Glücklich in Wuppertal" an.

Wie lange haben Sie an dem Projekt gearbeitet?

Ludwigs Sehr konkret haben wir seit September 2016 an dem Projekt gearbeitet, das übrigens weltweit das erste dieser Art ist. Wir haben mit Wuppertaler Bürgern gesprochen, Workshops organisiert, gemeinsam überlegt, ob die Fragen, die wir entwickelt hatten, wirklich sinnvoll sind. Letztendlich ist so eine Mischung aus Fragen entstanden, die zum einen das subjektive und zum anderen das kommunale Wohlbefinden betreffen. Wie zufrieden ist man mit der Politik, der Verkehrsinfrastruktur, der Arbeitsplatzsituation?

Wie viele Leute haben bisher teilgenommen?

Ludwigs Über 1000 Leute haben die App heruntergeladen. Darüber hinaus haben mehrere hundert die Fragen online beantwortet. Damit sind wir ziemlich zufrieden. Vollständig repräsentativ wird das Ergebnis natürlich nicht sein können, zumal wir gerade ältere Leute auf diesem Wege nicht erreichen.

Was passiert mit den Ergebnissen Ihrer Forschung. Stellen Sie sie den örtlichen Entscheidungsträgern zur Verfügung?

Ludwigs Ja, das Feedback wird anonymisiert, analysiert und dann an die Politik weitergegeben, das ist der Plan. Entscheidend für den Fortgang des Projekts dürfte sein, ob die Ergebnisse konkrete Auswirkungen auf die Stadtplanung haben werden.

Lässt sich die Lebenszufriedenheit eines Menschen dauerhaft verändern? Oder kehrt jeder nach Ausschlägen nach oben und unten immer wieder zu seinem persönlichen Glückslevel zurück?

Ludwigs Auch zu dem Thema ist bereits geforscht worden. Das läuft unter dem Begriff "The Dark Side of Happiness". Die Ergebnisse besagen, dass es gar nicht unbedingt erstrebenswert ist, das absolute Maximum zu erreichen. Wenn wir von einer Zehner-Skala ausgehen, ist eine Zehn ein ziemlich anstrengendes, sehr emotionales Gefühl. Das lässt sich nicht mehr maximieren, sondern nur noch über einen längeren Zeitraum optimieren.

Dann wäre eine stabile Acht also wünschenswerter als eine Zehn?

Ludwigs Eine stabile Acht mit einer Tendenz zur Neun vielleicht.

ALEXANDRA WEHRMANN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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