Datenschützer protestieren Englische Mülltonnen spionieren Bürger aus

London (RPO). Es könnte eine Vorlage für einen Science-Fiction-Geschichte sein: An die unzähligen Überwachungskameras in ihrem Alltag sind die Briten schon gewöhnt. Doch jetzt formiert sich Widerstand gegen eine weitere Spielart der elektronischen Kontrolle. Intelligente Mülltonnen erregen derzeit die Gemüter. Boulevardmedien schreien auf, die Angst vor dem Überwachungsstaat geht um. Der Grund: Immer mehr Abfallbehälter sind mit Hilfe von Computerchips in der Lage zu messen, wie viel die Bürger wegwerfen.

"Überwachungswahn" - die Slogans auf der Daten-Demo
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Eine Bürgerinitiative zum Datenschutz, die sich Big Brother Watch nennt, spricht von einer dramatischen Zunahme der Überwachungstechnik in englischen Mülltonnen. Bereits 2,6 Millionen Haushalte würden auf diese Weise überwacht. Die Datenschützer fürchten, die Regierung könnte nicht nur die Gebühren nach der individuellen Müllmenge bemessen, sondern sprichwörtlich im Dreck ihrer Bürger schnüffeln.

Bereits jetzt gilt England als eines der am stärksten von Kameras überwachten Länder in der westlichen Welt. Sicherheitsbehörden haben sich dafür eingesetzt, jede E-Mail und jede SMS mitlesen und jedes Telefonat mithören zu dürfen. Doch bei vielen Bürgern wächst die Abneigung, dem Staat noch mehr Rechte zur Einmischung in den Alltag zu geben.

"Das geht den Staat einfach nichts an"

"Mikrochips in Mülltonnen erlauben es der Regierung, noch mehr Daten über das Privatleben der Leute zu sammeln", heißt es in einer Erklärung, die die Datenschutz-Initiative am Freitag veröffentlichte. "Das geht den Staat einfach nichts an."

Vor acht Jahren wurden erstmals Chips in Abfallbehältern angebracht. Die Debatte über die Frage, ob der Staat den Müll seiner Bürger überwachen darf, ist immer mal wieder aufgekeimt. Der damalige Umweltminister Ben Bradshaw verkündete im Jahr 2006, dass die Briten eines Tages wohl für die Menge an Abfall zahlen müssten, die sie produzieren. Sein Argument war, dass die Leute dann automatisch weniger Müll verursachen würden. Sein Nachfolger David Miliband hob später das Verbot auf, finanzielle Anreize für Recycling zu setzen. Wieder war eine Hürde auf dem Weg zur totalen Müllüberwachung gefallen.

In England gibt es unterschiedliche Mikrochips an Mülltonnen: Manche messen das Gewicht des Abfalls, andere erlauben die Ortung des Behälters oder geben Aufschluss darüber, ob er geleert worden ist. Eine Regelung, wonach die Bürger für die Abfallmenge bezahlen, die sie verursachen, gibt es aber nicht. Noch nicht. Big Brother Watch vermutet, dass die steigende Zahl von Überwachungschips dazu dient, "still und heimlich die Voraussetzungen für eine Überwachung der Wegwerfgewohnheiten zu schaffen".

(apd/felt)
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