Düsseldorf

Düsseldorf · So wie er gestrahlt hat, wusste er es bereits, als er auf die Bühne kam. Denn im Schluss-Applaus zur Uraufführung von "b.13 – Ungarische Tänze" machte die Nachricht aus Erfurt die Runde: Martin Schläpfer, Ballettdirektor der Rheinoper, wird zum zweiten Mal mit dem renommierten Theaterpreis "Der Faust" als bester Choreograf für "b.09 – Ein Deutsches Requiem" geehrt. Während in Thüringen Generalintendant Christoph Meyer stellvertretend den "Faust" entgegennimmt, genießt Martin Schläpfer den Erfolg seiner ersten und umjubelten Premiere in der neuen Spielzeit.

In nur vier Wochen hat der Ballettchef einen Kraftakt gemeistert: Kurzfristig für den erkrankten Marco Goecke eingesprungen, entwickelte er auf der Basis von Johannes Brahms' berühmten "Ungarische Tänzen" eine 45-minütige Choreografie. Die Tänzer lässt er explodieren, nicht nur tanzen und schon gar nicht im volkstümlichen Csárdás-Paprika-Puszta-Stil. Es wird nach allen Regeln der Kunst gesprungen, battiert und gedreht, auf Spitze und barfuß.

Schläpfer schnürt ein Paket an Leben und Beziehungen, voller Energie, Freude und Humor. "Die Ungarischen Tänze" zeigen entfesselte Tänzer. Die Verkunstung wird auf die Spitze getrieben. Giftige Pfeile treffen die aktuelle Diskussion über Meinungs- und Pressefreiheit oder das umstrittene Verhältnis Ungarns zur EU. Herrlich amüsant der Aufmarsch der Fähnchen-Schwenker, brutal der Totschlag des Bauernpaares. Schläpfer lässt sich von der Musik herausfordern, ohne sich ihr unterzuordnen. Er wagt sogar als Kunstpause zur Halbzeit der Tänze eine Szene ohne Musik, in der in schwarzer Tracht ein Paar auf der düsteren Bühne Hochzeit feiert. Es sind diese Kontraste, mit denen er spielt und die – so grandios von den Düsseldorfer Symphonikern unter Christoph Altstaedt begleitet – die Aufführung illustrieren.

Schläpfer zeigt Tanz auf der Höhe der Zeit, reagiert auf aktuelle Strömungen und Bewegungssprachen und vergisst nie seine neoklassische Herkunft, die bei George Balanchine wurzelt und über Hans von Manen in die Gegenwart reicht. Etwa wenn im Tanz Nr. 11 vier Tänzerinnen auf Spitze präzise im Stil Balanchines auf den Ecken eines Quadrats positioniert sind und sich ohne jede Pose zwei Tänzer schwarzer Hautfarbe zu einem Duett in diesem Raum finden.

In der doch recht langen Choreografie hat Schläpfer erneut einen Bezug zu den beiden Altmeistern gesetzt. Ihnen gehört die Bühne in den ersten Teilen des Abends. Klassisch ist die Bewegungssprache, die Balanchine zu Bachs "Concerto Barocco" gestaltet. Ein Tanz-Musik-Genuss – auch dank der Violin-Solisten, Egor Grechishnikov und dem erst 25-jährigen Dragos Manza. Sinnlich und einfühlsam vertanzt ist das "Kleine Requiem" nach dem Werk von Henry Mikolaj Górecki aus dem Repertoire von Hans van Manen.

Zu immer neuen Konstellationen treffen sich die Paare und verlieren einander wieder. Auch der Pas de Deux zweier Männer findet kein Happy End. Aber Schläpfer nimmt es mit Raffinesse im Finale auf. Damit schließt sich der Kreis: Als Geschenk zum 80. Geburtstag seines Mentors hat der Ballettdirektor sein Stück dem mit Beifall überschütteten Choreografen Hans van Manen gewidmet.

(RP)
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