Reproduktionsmedizin Drei Eltern und ein Baby

New York · Amerikanische Reproduktionsmediziner haben einer kranken Frau die gesunden Gene einer gespendeten Eizelle eingepflanzt.

Reproduktionsmedizin: Drei Eltern und ein Baby
Foto: Ferl

John Zhang könnte ein moderner Held der Wissenschaft sein. Der Arzt hat einem Paar aus Jordanien einen Kinderwunsch erfüllt, der die Eheleute seit fast 20 Jahren beschäftigt. Die heute 36-jährige Frau hatte bereits vier Fehlgeburten. Im Jahr 2005 kam ihr erstes Kind lebend zu Welt. Doch das Mädchen starb nach fünf Jahren, auch ihr Bruder lebte nur wenige Monate.

Die beiden Kinder litten unter dem Leigh-Syndrom. Bei dieser unheilbaren Erkrankung kommt es zu Fehlbildungen im Gehirn und zu Atemstörungen. Der Auslöser ist ein Gen-Defekt im Erbgut der Ehefrau. Die Reproduktionsmediziner am "New Hope Fertility Center" haben für die Jordanier einen Ausweg gefunden. Anfang April wurde nach Zhangs Angaben ein gesunder Junge geboren. Die Forscher haben dabei die korrekten Gene aus einer gespendeten Eizelle einer anderen Frau verwendet. Das Baby besitzt nun drei genetische Eltern.

Der größte Teil des Erbguts des Kindes stammt von dem Ehepaar, das der Junge wohl Vater und Mutter nennen wird. Das schadhafte DNA-Stück gehört nämlich nicht zu den 23.000 Genen im Zellkern der Eizelle. Dort vermischen sich während der Befruchtung die DNA des Mannes und der Frau. So entsteht das individuelle Erbgut eines Kindes, von dem angenommen wird, dass es den Menschen prägt. Aber der Mensch besitzt in seinen Zellen noch ein weiteres Stück Erbgut. Die Mitochondrien, die Energiekraftwerke der Zelle, verfügen über eine eigene DNA. Sie ist sehr viel kleiner und enthält lediglich 37 Gene. Hier hat der Vater keinen Einfluss, Kinder übernehmen die Erbinformationen der Mutter. Dieser Teil war bei der 36-Jährigen beschädigt. Die Ärzte haben deshalb den Zellkern aus der Eizelle der Jordanierin in die Eizelle einer anderen Frau übertragen, deren Mitochondrien fehlerfrei waren und deren Zellkern sie vorher entfernt hatten.

John Zhang präsentiert sein historisches Ergebnis heute auf einer Fachtagung der Amerikanischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin. Dort schlägt dem Mediziner nicht nur Beifall entgegen. Denn die Rahmenbedingungen werfen ein anderes Licht auf diesen Erfolg. Das New Yorker Team entzog sich für sein Experiment der unklaren US-amerikanischen Gesetzgebung und wich nach Mexiko aus. Das mittelamerikanische Land ist für die Reproduktionsmedizin eine Art rechtsfreier Raum. In den USA haben die Aufsichtsbehörden vor einigen Jahren die Entscheidungen über mögliche Genehmigungen ausgesetzt. Zhangs Team hätte auch nach Großbritannien oder Schweden gehen können, wo es klare gesetzliche Regeln gibt, aber er entschied sich für Mexiko. In Deutschland streiten die Juristen darüber, ob die New Yorker Methode durch das Embryonenschutzgesetz verboten wäre. Manche Experten argumentieren, dass der Gesetzestext, dessen Kern aus dem Jahr 1990 stammt, dieses neue Verfahren nicht abdecke.

Doch die juristische Debatte bildet nur einen der Vorwürfe gegen Zhang. Viele Forscher lehnen die Methode zum derzeitigen Zeitpunkt ab. Sie könnte gefährlich für das Kind sein und ein Leben lang zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Es gebe keine ausreichende Risikoabschätzung, und die bisherigen Hinweise an Tiermodellen und menschlichen Zellen seien zumindest zweideutig, sagt Klaus Reinhardt. Der Professor für angewandte Zoologie an der TU Berlin bewertet die Datenlage als "dünn und zweifelhaft". Zhang sagt, dass Kind sei vollständig gesund.

Zhangs Ankündigung zum Kind mit drei Eltern hat auch andere Wissenschaftler auf den Plan gerufen. Eine ukrainische Forschergruppe meldete, dass dort zwei Frauen mit Kindern mit drei genetischen Eltern schwanger seien. Diese Reproduktionsmediziner verfolgen ein anderes Ziel. Manchmal kommt es vor, dass eine befruchtete Eizelle sich nach ein paar Tagen nicht weiterentwickelt. Die Ukrainer vermuten, dass dieser Stillstand überwunden werden kann, wenn der Zellkern in eine andere Umgebung überführt wird, nämlich in die entkernte Eizelle einer anderen Frau. Wissenschaftlich überprüft ist das nicht, aber die Ukrainer hatten nach eigenen Angaben offenbar Erfolg.

Möglicherweise sind auch in Schweden und Großbritannien bereits Kinder mit drei Eltern geboren worden. Einige Forscher, die Genehmigungen für das Verfahren beantragt haben, haben angekündigt, dass sie zum Schutz der Kinder zunächst mit einer Veröffentlichung warten wollen.

Mindestens 17 Kinder mit drei genetischen Eltern haben vermutlich bereits das Teenager-Alter erreicht. Der Reproduktionsmediziner Jacques Cohen hat Ende der 1990er Jahre mit einer anderen Methode fehlerhafte Mitochondrien in der Eizelle gegen gesunde ausgetauscht, berichtet die Wissenschaftszeitung "Nature". Die Experimente endeten im Jahr 2002 - vermutlich, weil die US-Aufsichtsbehörden Regularien erließen. Er werde bald über die weitere Entwicklung der Kinder berichten, sagte Cohen.

Kaum zu überprüfen ist die Frage, ob sich der jordanische Junge durch den DNA-Austausch zu einem anderen Menschen entwickeln wird, als wenn er nur zwei genetische Eltern hätte. Dafür wissen die Forscher viel zu wenig über die prägenden Faktoren in der Entwicklung des Menschen.

(rai)
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