Die Fleischbeschau für Vegetarier

Wie gesund sind Fleischersatzprodukte? Stiftung Warentest hat vegetarische Frikadellen, Schnitzel und Würstchen untersucht - nicht alle sind empfehlenswert.

Fleischesser runzeln häufig die Stirn, wenn ein Vegetarier ein Würstchen isst, in dem sich keine Faser Fleisch findet. Wenn Frikadellen oder Schnitzel, dann muss für sie auch "Tier" drin stecken. Viele Vegetarier und Veganer hingegen wissen zu schätzen, dass es Lebensmittel gibt, die geschmacklich und optisch zum Beispiel Geflügel sehr ähnlich sind, aber teils oder komplett ohne tierische Bestandteile auskommen.

Aus Soja, Seitan oder Milch bestehen die meisten der so genannten Fleischersatzprodukte. Und die Sparte boomt: Die "grünen" Lebensmittel, also Fleischersatzprodukte und pflanzliche Brotaufstriche, wurden im vergangenen Jahr von mehr als 14 Millionen Haushalten mindestens einmal gekauft. Das hat eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ergeben. Und auch im ersten Quartal 2016 haben demzufolge erneut fast sieben Prozent mehr Käufer zu einem Veggie-Produkt gegriffen als im Vorjahreszeitraum. Bei der Rügenwalder Mühle, einem traditionellen Fleischhersteller aus Norddeutschland, macht der Umsatz mit vegetarischen Produkten bereits knapp 20 Prozent aus.

Doch die fleischlosen, teils sogar veganen Alternativen sind nicht alle unbedenklich, wie eine Untersuchung von Stiftung Warentest zeigt. Von 20 Veggie-Frikadellen, -bratwürsten und -schnitzeln erhielten 16 in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift die Noten "gut" oder "befriedigend".

Doch bei sechs Produkten sind die Ergebnisse alarmierend: Darin fanden die Tester Rückstände von Mineralöl. Betroffen waren fünf der acht vegetarischen Bratwürste. Sie enthielten 20 bis 60 Milligramm Mineralölbestandteile pro Kilogramm. Drei der belasteten Bratwürste bekamen nur ein "ausreichend". Besonders groß war die gefundene Mineralöl-Konzentration in den vegetarischen Schnitzeln von Rügenwalder Mühle. Zwar bewerteten die Tester sie geschmacklich und optisch mit sehr gut, in punkto Schadstoffe vergaben sie jedoch ein Mangelhaft, was zu einer ebenso schlechten Gesamtnote führte und das Produkt zum Testverlierer macht. 400 Milligramm Mineralölbestände pro Kilogramm fanden sich darin: "Dieser Gehalt gehört zu den höchsten, die wir je in Lebensmitteln gefunden haben", heißt es in dem Testbericht. Es handelt sich um chemische Verbindungen, die von der Europäischen Lebensmittelbehörde Efsa als "potenziell besorgniserregend" eingestuft würden. Diese seien zwar nicht akut toxisch, könnten sich jedoch langfristig im Körper anreichern, vor allem in Leber und Milz, meinen die Tester.

Rügenwalder Mühle erklärte auf Anfrage, dass die Rückstände durch ein Paraffin zustande kommen, das ausdrücklich zur Herstellung von Lebensmitteln zugelassen sei und von einem Zulieferer eingesetzt werde. Es sei kein gesundheitsgefährdendes Mineralöl, betonte das Unternehmen, das dies durch Tests in mehreren unabhängigen Laboren nachweisen ließ. "Nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand sind gesundheitliche Risiken durch die Aufnahme dieses Paraffins in der für diese Anwendung vorgeschriebenen Reinheit für Verbraucher auszuschließen", heißt es. Die Zutat, die für die Rückstände verantwortlich sei, habe man dennoch bereits ausgetauscht, so das Unternehmen in einer Stellungnahme. Sie werde nicht mehr bei Rügenwalder Mühle eingesetzt. Die Gemüsefrikadellen des Herstellers schnitten als Testsieger in der Kategorie "Veggie-Frikadellen" ab.

Verbraucher sollten genau hinschauen, gerade was die Zutatenliste von Fleischersatzprodukten angeht, rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn. Viele Veggie-Artikel seien "nicht günstig einzustufen", sagt Sprecherin Silke Restemeyer. Denn es handele sich meist um hoch verarbeitete Produkte mit einem hohen Gehalt an Zucker, Speisesalz oder Fett, die mit vielen Zusatzstoffen versehen sind. Solche Lebensmittel können ernährungsphysiologisch ungünstig und daher nicht unbedingt gesundheitsfördernd sein. Andererseits seien vegane Fertig-oder Ersatzprodukte teilweise mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert und können dadurch einen nennenswerten Beitrag zur Nährstoffversorgung leisten, fügt sie hinzu. Günstiger sei es aber, den Eiweißbedarf mit pflanzlichen Proteinquellen wie Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Nüssen und Sojaprodukten zu decken. Durch die gezielte Kombination verschiedener proteinreicher Lebensmittel wie Linsengemüse mit Reis kann die Proteinqualität erhöht werden.

Zudem bemängeln die Test-Experten, dass viele Produkte nicht ohne Verdickungsmittel und andere Zusatzstoffe auskommen würden. Diese seien natürlich geprüft und zugelassen, erklärt Restemeyer, also nicht per se gefährlich. Trotzdem sollte man auf die verwendete Menge und Anzahl achtgeben. Ein Produkt im Test war mit fünf verschiedenen Verdickungsmitteln angereichert worden.

Grund zur Kritik sahen die Warentester auch beim Nährstoffgehalt: Manche Produkte enthielten sehr viel Salz. Laut einer Empfehlung der Verbraucherzentrale sollte man nicht mehr als fünf Gramm am Tag zu sich nehmen. Ein Blick auf die Verpackung gibt Aufschluss darüber, wie hoch der Salzgehalt des jeweiligen Produktes ist.

Ob ein Produkt nach Fleisch schmeckt, war für den Test nicht relevant. Manche Produkte versuchen, den Fleischgeschmack zu imitieren. Andere setzen auf einen eigenen Geschmack. Wichtiger war den Warentestern Konsistenz, Geruch und Aussehen. Mehr als die Hälfte der Produkte konnte die Tester geschmacklich überzeugen. Es gab aber auch trockene, gummiartige oder krümelige Kost.

Die Wachstumsraten für diese Produktpalette sind jedenfalls gigantisch: Laut GfK lagen sie zuletzt zwischen 22 und 32 Prozent pro Jahr; 2015 überstieg der Gesamtumsatz mit den "grünen" Lebensmitteln erstmals die Marke von 300 Millionen Euro. Möglich aber, dass das Bewusstsein, dass fleischfrei nicht automatisch gesund bedeutet, bei den Verbrauchern geweckt worden ist. Momentan etablieren sich am Markt auch kleinere Bioanbieter neben den großen Marken.

(RP)
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