Jena Der Türkise Prachtgrundkärpfling altert im Zeitraffer

Jena · Jenaer Alternsforscher sind elektrisiert. Der kurzlebige Fisch lebt in Afrika, und das Gros seiner Gene ähnelt denen des Menschen.

Mit einem Kescher angelt Kathrin Reichwald den toten Fisch aus seinem Becken. Das Männchen hat seine Farbenpracht eingebüßt und treibt jetzt blass im Wasser. Die Molekular-Biologin schiebt ihn in ein Plastikröhrchen, notiert Geburts- und Sterbedatum sowie den Stammcode darauf und legt es auf Eis. "Im Labor werden wir für weitere Untersuchungen seine DNA isolieren", erklärt sie. Nur zehn Monate ist der Fisch alt geworden und gehört damit schon zu einem der langlebigeren Exemplare des Türkisen Prachtgrundkärpflings (Nothobranchius furzeri). Der aus Afrika stammende Fisch elektrisiert Alternsforscher wie Reichwald. Nun haben sie sein Erbgut entziffert. Damit, so hoffen sie, können bald neue Erkenntnisse geschöpft werden, wie und warum wir altern.

Bisher arbeiten Alternsforscher vor allem mit Platt- und Rundwürmern, Hefen, Fliegen, Mäusen und Zebrafischen. "Die Würmer und Fliegen sind evolutionsbiologisch vom Menschen allerdings sehr weit entfernt", erklärt Matthias Platzer, Gruppenleiter am Jenaer Leibniz-Institut für Alternsforschung. Mäuse und Zebrafische werden mehrere Jahre alt - entsprechend lang dauern die Experimente. Anders beim Türkisen Prachtgrundkärpfling. Er ist ein Wirbeltier und zugleich das kurzlebigste, das im Labor gehalten wird. Ein Stamm wird gerade einmal vier Monate alt, die langlebigsten Tiere der Art sterben mit zwölf Monaten. Dabei altern sie für die Forscher quasi im Zeitraffer und zeigen typische Altersmerkmale, wie sie auch beim Menschen zu beobachten sind.

Ein internationales Forscherteam hat nun das Genom des Fisches entziffert und berichtet darüber im Fachmagazin "Cell". "Wir können diesen Code jetzt lesen, aber ihn zu verstehen wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen", sagt Platzer. Es sei ein Meilenstein ihrer Forschung. Jetzt könne man gezielt die Genome kurz- und langlebiger Exemplare vergleichen, um nach neuen Genen zu suchen, die Alterungsprozesse steuern. Die Kenntnis des Genoms erlaube auch gezielte Eingriffe wie zum Beispiel einzelne Gene auszuschalten oder überzuaktivieren. Da mehr als 90 Prozent der Gene des Menschen denen im Fisch ähnlich seien, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich Erkenntnisse auf den Menschen übertragen lassen.

Den Forschern geht es nicht in erster Linie darum, in Science-Fiction-Manier in den Genen einen Schalter für ewiges Leben oder ewige Jugend zu finden. Sie ergründen vielmehr die Prozesse, die uns altern lassen. Mit dem Wissen, so die Hoffnung, könnte künftig zwar nicht der Alterungsprozess direkt beeinflusst, aber Gesundheit und Lebensqualität bis ins hohe Alter ermöglicht werden. Etwa indem die Entstehung von Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer hinausgezögert oder verlangsamt würde.

(dpa)
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