Solingen Denkmal für einen treuen Hund

Solingen · Auf den Spuren eines klassischen Familienausflugs: Zwischen Solingen, Remscheid und Opladen geht es an der Wupper entlang zu einem ungewöhnlichen Standbild. Zur Belohnung lockt eine Kaffeetafel.

Nicht alle Ausflüge aus Kindertagen bleiben in Erinnerung. Sonntägliche Mittagessen, bei denen kein Streichelzoo oder Ponyhof in der Nähe war? Vergessen. Lange Kuchenschlachten, bei denen sich die Erwachsenen in öde Gespräche vertieften? Wie ausgelöscht. Ganz anders der Ausflug zum Rüdenstein und ins Tal der Wupper, der mindestens einmal pro Sommer bei den wöchentlichen Ausflügen mit meiner Großtante Else auf dem Programm stand. Und obwohl der tierische Hauptdarsteller weit entfernt davon ist, ein weiches Fell zu tragen, hat die Geschichte vom jungen Herzog und seinem treuen Hund gereicht, um die Fantasie jedes Mal aufs Neue Purzelbäume schlagen zu lassen. Dabei zeigt der Rüde im Wald über dem Tal der Wupper vom hohen Sockel aus seine kalte Schulter.

Mehr als vier Jahrzehnte und ein Studium im Nebenfach Geschichte später wirkt die Geschichte um Herzog Robert von Berg von der Faktenlage reichlich dünn: Vor dem Christfest des Jahres 1424 soll der junge Ritter mit seinen Kumpanen auf dem Heimweg von der Jagd gewesen sein. Tiefer Schnee machte den Ritt nach Solingen beschwerlich. Um sich gegen den schneidenden Wind und die Eiseskälte zu schützen, hatten sich die Männer fest in ihre Umhänge gehüllt und die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. So bemerkten sie spät, dass der junge Herzog fehlte. Sie stießen wieder und wieder ins Horn. Keine Antwort. Da hörten sie lautes Gebell, und durch den tiefen Schnee stürmte ein Rüde heran. Er jaulte und jammerte, sprang an den Pferden hoch, bis die Reiter bereit waren, ihm zu folgen. Und er führte sie zu dem Platz in den Wupperbergen, wo sie Herzog Robert steif gefroren, aber gerade noch rechtzeitig fanden. Der junge Herr hatte einen Hirsch verfolgt und war dabei vom Pferd und den Steilhang hinuntergestürzt. Er wäre tot. Erfroren. Wenn nicht der treue Hund gewesen wäre. Dem setzte Robert von Berg zum Dank ein Denkmal. Schon als Kind habe ich für den armen, namenlosen Hund gehofft, dass außerdem noch ein Knochen drin war. Und überhaupt: Heldenhafter Lebensretter und noch nicht mal einen Namen. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Geschichte wird eben von Siegern geschrieben, menschlichen Siegern wohlgemerkt.

Apropos Geschichtsschreibung. Verbürgt ist an dieser Geschichte nicht viel. Noch nicht mal die Figur des jungen Herzogs selbst. Es kann ihn gegeben haben, muss aber nicht. Das tut aber der Faszination der rührenden Sage keinen Abbruch. In meiner Erinnerung gespeist von den Erzählungen der resoluten Großtante Else, einer lustigen Witwe, die das Leben zu nehmen wusste, obwohl ihr Mann im Krieg gefallen war, und der eigenen blühenden Fantasie. Nie durfte der wenige Minuten kurze Aufstieg zum Rüden fehlen, wenn das Tal der Wupper zwischen Solingen, Remscheid und Opladen angesteuert wurde.

Genauso wenig wie die Einkehr in der gleichnamigen Gaststätte "Rüdenstein" im Ortsteil Obenrüden. Dort lässt es sich auf dem Rasen zwischen dem Fachwerk-Ensemble und der Wupper auf der großen Wiese sitzen, Waffeln mit oder ohne Kirschen und Milchreis oder gleich eine opulente Bergische Kaffeetafel verzehren und in die Sonne blinzeln. Auf die Kinder von heute wartet danach ein Piratenschiff zum Herumklettern auf dem Spielplatz am Ufer. Ein Karussell mit wilden Tieren dreht sich im Kreis. Und die Giraffe musste einen Knoten in ihren langen Hals machen, damit sie unter den Baldachin passt. Von wegen früher war alles besser.

Mitten in der Pampa steht ein Wegweiser. Rechts geht's zurück nach Obenrüden, links nach Untenrüden. Und man fragt sich, ob man sich an einer imaginären Grenze befindet. Irgendwie skurril. Ansonsten ist die Beschilderung gut für Wanderungen aller Art. Für Kinderwagen, Rollstuhl und alle, die es nicht so anstrengend mögen, gibt es Wege aller Längen entlang der Wupper. Nahezu topfeben. Immer wieder lässt sich über eine Brücke das Ufer wechseln und damit Abwechslung finden. Am Wegesrand liegt das verwaiste Restaurant Haus Fähr. Es scheint, als habe die Ausflugsgastronomie, die Großtante Else nicht nur im Tal der Wupper in- und auswendig kannte, damals bessere Zeiten gesehen.

Was die Leute heute mit ihrer Freizeit anfangen, bietet Denkstoff für den Weg. Nicht dem Zeitvertreib, sondern dem Broterwerb diente der Wipperkotten in der Vergangenheit, der als letztes erhaltenes Original an der Einmündung des Weinsberger Bachs in die Wupper liegt. Ein Teil der Doppelkottenanlage ist in privater Hand, die Schleiferei Wipperkotten betreibt ein Förderverein mit dem LVR-Industriemuseum. Wer höher hinaus will, kann diverse Bergetappen wählen. Aber der Besuch am Denkmal war und ist Pflicht. Der kurze, steinige Anstieg ist allerdings bei nassem Wetter rutschig. Wie ein Gruß aus dem Jenseits wirkt dabei das laute Gebell, das allerdings von einem quicklebendigen Collie stammt. Fehlt nur ein Gruß von der Großtante. Aber die ist, obwohl über 100 Jahre alt geworden, längst tot. Sie hätte ihre Freude daran gehabt, von diesem Ausflug zu lesen.

(RP)
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