Chor ohne Chance, Perahia veredelt Bach

Klassik Heute beschäftigen wir uns mit zwei Platten aus dem Hause Deutsche Grammophon. Das Gelbetikett steht ja für Qualität, muss allerdings auch dringend auf die Finanzen achten. Deshalb kommen immer wieder Platten auf den Markt, die die Welt nicht braucht, die aber garantiert Kohle machen. Das sind natürlich schnöde Formulierungen, die sich bei einem Ensemble wie dem Chor der Sixtinischen Kapelle in Rom unter Leitung von Massimo Palombella verbieten.

Klassik Heute beschäftigen wir uns mit zwei Platten aus dem Hause Deutsche Grammophon. Das Gelbetikett steht ja für Qualität, muss allerdings auch dringend auf die Finanzen achten. Deshalb kommen immer wieder Platten auf den Markt, die die Welt nicht braucht, die aber garantiert Kohle machen. Das sind natürlich schnöde Formulierungen, die sich bei einem Ensemble wie dem Chor der Sixtinischen Kapelle in Rom unter Leitung von Massimo Palombella verbieten.

Der Chor singt ausnahmslos Werke von Altmeister Giovanni Pierluigi da Palestrina, unter anderem die berühmte "Missa Papae Marcelli". Die Platte wirbt damit, dass sie "unter Studiobedingungen in der Sixtinischen Kapelle" entstanden sei. Wer die Akustik dieses beeindruckenden Raumes kennt, der ahnt, dass Musikaufnahmen dort, im ewigen Hall von Gott und Welt, schier unmöglich sind - beinahe so absurd wie der Versuch, Beethovens Neunte in der Turnhalle von Moers-Repelen einzuspielen.

Die Musik ersäuft im Hall, und wie aus der Ferne kann man ahnen, dass der Chor gar nicht mal schlecht singt, aber auch nicht erstklassig. Dringen wir von Palestrina aus vor in die Neuzeit, so führt der Weg zwangsläufig zu Johann Sebastian Bach, der seinen Palestrina sehr schätzte - vor allem als Komponist von Kirchenmusik. Als er die sechs "Französischen Suiten" schrieb, experimentierte er dagegen mit barocken Tanzformen. Seit langem gilt der Pianist Murray Perahia als großer Bach-Interpret.

Fern jeder Betulichkeit nimmt sich Perahia viel Zeit für jedes einzelne Sätzlein, und es gelingt ihm, diesem oft unterschätzten, jedenfalls von den Großpianisten nicht ausreichend gewürdigten Zyklus Leben einzuhauchen. Bach hat hier Drive und langen Atem, er entfaltet sich auf dem Klavier, ohne dabei romantisch zu verwehen oder parfümiert zu werden. Mit zunehmendem Alter findet Perahia auch zu einer Eigenschaft, die bei ihm früher nicht die Regel war: Witz.

So tritt seine Einspielung dieser sechs Suiten als Referenzaufnahme an die Seite einer anderen, die seit vielen Jahren im Katalog an der Spitze unseres Denkens über Bach steht: die Aufnahme von Glenn Gould. Wolfram Goertz

(RP)
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