Professorenleben Zwerge, die auf Riesen sitzen

Wer heutzutage mit jungen Frauen spricht, erntet in Bezug auf Themen wie Frauenquote oder Gleichstellung der Geschlechter bestenfalls ein müdes Schulterzucken. Oder schärfere Formen der Abgrenzung gegen das, was gelegentlich als "feministisches Opferabo" oder "Männerbashing" wahrgenommen wird. Erfahrungen der Diskriminierung, Befürchtungen, irgendwo wegen des Geschlechts benachteiligt zu werden, sind ihnen fremd.

Junge Frauen vertrauen auf ihre Leistungsfähigkeit; sie sind stolz darauf, dass sie, ohne je über Geschlechterverhältnisse nachgegrübelt zu haben, ihren Weg machen. Junge Frauen, die es bereits in bedeutendere Positionen der Berufswelt, z.B. im Kulturbereich oder in der Wissenschaft, gebracht haben, betonen oft unaufgefordert, dass sie in diese nicht als Frau, sondern aufgrund ihrer dokumentierten Leistungen berufen wurden. Der Subtext lautet: "Komm' bitte auch nicht im Entferntesten auf die Idee, in mir eine Quotenfrau zu sehen." Wenn ich mit meinen Studentinnen über geschlechtergerechte Sprache diskutiere, ist die einhellige Meinung, dass alle politisch korrekten Verrenkungen des "Gender-Neusprechs" mindestens lächerlich und maximal überflüssig seien.

Aus der scholastischen Philosophie des Mittelalters ist ein Gleichnis überliefert, nach dem wir "gleichsam Zwerge seien, die auf den Schultern von Riesen sitzen, um mehr und Entfernteres als diese sehen zu können - freilich nicht dank eigener scharfer Sehkraft oder Körpergröße, sondern weil die Größe der Riesen uns emporhebt." Wahrscheinlich gilt diese Beobachtung gerade auch für die jungen Frauen von heute, für die ohne Helene Lange und Clara Zetkin (Erste Frauenbewegung), ohne Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer (Neue Frauenbewegung) kaum eine höhere Bildung und sicher keine erfolgreiche berufliche Karriere möglich sein würde.

Ob man diese nun als Riesen, als Riesinnen, als RiesInnen oder als Ries_innen bezeichnen möchte, ist demgegenüber doch ziemlich zweitrangig.

(RP)
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