Cornelia Denz Studieren auf Englisch wird immer beliebter

Viele deutsche Hochschulen bieten englische Studiengänge an wie Environmental Earth Sciences oder Mechanical Engineering. Profitieren sollen davon nicht nur ausländische Studenten.

Frau Denz, wieso findet man zunehmend englischsprachige Studiengänge an deutschen Hochschulen?

Denz Mittlerweile gibt es an allen Universitäten in Deutschland ein klares Bekenntnis zur Internationalisierung. Will man in den internationalen Rankings wahrgenommen werden und konkurrenzfähig sein, muss Englisch eine Rolle spielen. Die deutschen Hochschulen stehen weltweit im Wettbewerb um den wissenschaftlichen Nachwuchs. Und wenn man Personen aus dem Ausland anwerben möchte, braucht man Studiengänge mit der Unterrichtssprache Englisch.

Woher kommen die ausländischen Studenten denn?

Denz Deutschland ist bei Studenten aus Asien, Fernost und Südamerika sehr beliebt. Die Lehre hier hat einen sehr guten Ruf, und man erwirbt Abschlüsse, die etwas wert sind auf dem weltweiten Arbeitsmarkt. Übrigens: Man sollte prüfen, ob sich hinter einem englischen Namen auch wirklich ein Studiengang mit der Unterrichtssprache Englisch verbirgt. Vor allem die Wirtschaftswissenschaften sind ja sehr angelsächsisch geprägt und verwenden gern entsprechende Begriffe - auch für deutschsprachige Studiengänge.

Vor allem Masterstudiengänge scheinen verstärkt auf Englisch angeboten zu werden.

Denz Das stimmt. Der Bachelor wird hierzulande quasi als Grundausbildung für Studenten aus Deutschland gesehen. Obwohl Englisch ja eine große Rolle in unserem Schulsystem spielt, fühlen sich viele junge Leute zu Beginn ihres Studiums mit fremdsprachlichen Inhalten überfordert. Daher ist der Hochschulunterricht im Bachelor eher deutsch-dominiert, während man sich dann im Master der englischen Sprache öffnet.

Welche Vorteile habe ich als Student von einem englischsprachigen Studiengang?

Denz Egal, ob ich eine Karriere in der Wirtschaft oder in der Wissenschaft anstrebe: Ich treffe auf internationale Kollegen, mit denen ich Englisch sprechen muss. So nützt mir mein Studium, sicherer zu werden - und auch der interkulturelle Aspekt darf nicht vernachlässigt werden. In einem internationalen Studium treffe ich auf Menschen unterschiedlichster Herkunft und lasse mich auf diese ein, lerne ihre Kulturen und deren Eigenheiten kennen - genau wie später im Beruf.

Viele Studenten wählen ein naturwissenschaftliches Fach, weil sie sich in den Sprachen nicht so stark fühlen - ein Denkfehler?

Denz Absolut! In den Natur- und Lebenswissenschaften hat sich Englisch als Wissenschaftssprache inzwischen so etabliert, dass andere Sprachen in Publikationen, Forschungskommunikation und Tagungen kaum noch eine Bedeutung haben. Auch im Laboralltag ist Englisch präsent. Ein Drittel unserer Abschlussarbeiten im Master wird in Englisch verfasst. Die Wissenschaft ist heute international, egal ob Natur-, Wirtschafts-, Lebens- oder Geisteswissenschaften. Die Angelsächsische Wissenschaft ist dominant, publiziert wird auf Englisch. Und auch viele Projekte sind international, weil sie beispielsweise von der EU gefördert werden. Aber wie gesagt: Sie finden vermutlich auch keinen Betrieb mehr, in dem Hochschulabsolventen ausschließlich mit deutschen Kollegen kommunizieren.

Habe ich also einen Nachteil, wenn ich ein nicht-englischsprachiges Fach studiere?

Denz Nein. In manchen Fächern der Geisteswissenschaften sind andere Sprachen viel wichtiger, etwa Französisch oder Spanisch. Wer Alte Geschichte oder Kunstgeschichte studiert, muss vielleicht Artikel auf Italienisch lesen. Und wer Deutsche Geschichte studiert, ein Fach, in dem die Quellen und ein Großteil der Sekundärliteratur auf Deutsch sind, wird seine Arbeit logischerweise nicht auf Englisch schreiben. Strebe ich aber eine internationale wissenschaftliche Karriere an, sollte ich auch mal Artikel auf Englisch publizieren.

Was empfehlen Sie Schülern und Studenten, die Angst haben vor einem Studium auf Englisch?

Denz Ich würde allen empfehlen, die Sprache Englisch - in den Geisteswissenschaften kann es auch eine andere Fremdsprache sein - in ihr Studium zu integrieren. Sei es durch einen Auslandsaufenthalt oder einen Sprachkurs an der Hochschule. Außerdem sollte man nicht dazu tendieren, die Fremdsprache bewusst zu vermeiden, also einen englischsprachigen Studiengang nur aus Bequemlichkeit nicht zu wählen. Die Qualität des Angebots ist entscheidend.

ISABELLE DE BORTOLI FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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