Ghostwriter Schreiben lassen statt selber schreiben

Münster · Für viele Studierende ist ein Ghostwriter die Lösung, wenn Zeit oder Idee für die Hausarbeit fehlt. Angebote gibt es genug.

Der Stundenplan ist voll, die Zeit knapp und der Druck hoch. Steht dann noch eine Hausarbeit oder gar die Bachelor- oder Masterarbeit an, bricht manchen Studenten der Schweiß aus. "Ghostwriting" scheint dann oft die Lösung zu sein. Dabei lassen die verzweifelten Studenten ihre Arbeit von jemand anderem schreiben und reichen das Ergebnis als eigene Leistung ein. Doch was nach der perfekten Lösung klingt, kann bittere Folgen haben.

Oft sind Ghostwriter Kommilitonen der Auftraggeber. So wie Jonas (Name geändert), der kurz vor seinem Abschluss in Jura steht. Den ersten Kunden hatte ihm ein Bekannter vermittelt: "Der Freund wusste, dass ich gerade etwas Geld gebrauchen konnte und es mir leicht fällt, Hausarbeiten zu schreiben." Jonas war damals schon einige Semester weiter als sein Kunde und wusste genau, wie die Arbeit aussehen muss. Persönlich hat er den Auftraggeber nicht kennengelernt, die Kommunikation lief per E-Mail. Bedenken hatte er keine: "Letztendlich liegt es in der Verantwortung des Kunden, ob er meine Arbeit als seine eigene ausgibt."

Ob Hausarbeit oder Doktorarbeit: Eine wissenschaftliche Arbeit ist eine eigene Prüfungsleistung, sagt Wilhelm Achelpöhler vom Deutschen Anwaltverein. "Wer eine Arbeit einreicht, die von einem Ghostwriter geschrieben wurde, der begeht eine vorsätzliche Täuschung." In der Prüfungsordnung der jeweiligen Hochschule sind die Anforderungen für die Prüfungsleistung und auch die Konsequenzen bei einem Verstoß festgelegt, sagt der Rechtsanwalt.

Wenn herauskommt, dass die Arbeit von einem Ghostwriter stammt, kann die Uni ein Verfahren gegen den Kandidaten einleiten. "Die Prüfungsleistung gilt dann als nicht bestanden, je nach Schwere der Vorwürfe, kann der Student auch von zukünftigen Versuchen der Prüfung ausgeschlossen werden", so Achelpöhler. Unter Umständen droht dann auch die sofortige Exmatrikulation von der Universität. Und in den Hochschulgesetzen mancher Bundesländer gilt eine solche Täuschung als Ordnungswidrigkeit - mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro.

Das größte praktische Risiko sieht Achelpöhler aber an anderer Stelle: "Ein schlechter Ghostwriter ist für den Kunden ein unkalkulierbares Risiko." Denn ob der Ghostwriter die Ansprüche wissenschaftlichen Arbeitens erfüllt hat, kann der Auftraggeber kaum überprüfen. Finden sich in der Arbeit Fehler und Plagiate, fällt das natürlich auf den angeblichen Verfasser zurück. Und der sitzt dann in der Zwickmühle. „Ich kann ja nichts dafür“, ist in solchen Fällen ein denkbar schlechtes Argument.

Wer als Ghostwriter seine Dienste anbietet, hat dagegen zurzeit wenig zu befürchten, sagt Matthias Jaroch vom Deutschen Hochschulverband. Internetplattformen, die Ghostwriter vermitteln, sind nicht verboten. Die Anbieter argumentieren damit, dass sie nur Ideen für die Arbeit liefern. Ob ein Student so eine „Idee“ als seine eigene ausgibt, liege in dessen Verantwortung.

Auch Studenten, die gegen Bezahlung für Kommilitonen schreiben, können nicht belangt werden, sagt Jaroch. Der Deutsche Hochschulverband sieht hier eine Lücke im Strafrecht und setzt sich dafür ein, den Strafbestand des Wissenschaftsbetrugs einzuführen. Damit könnten Ghostwriter künftig mit einer Geld- oder sogar Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belangt werden.

Ernsthafte Konsequenzen von seiner Arbeit als Ghostwriter fürchtet auch Jonas nicht. Gerade in seinem Studiengang ist Ghostwriting verbreitet, erzählt er. In der Bibliothek hat er schon Leute gesehen, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ghostwriter“ und einer Telefonnummer tragen. Für Studenten ist das ein attraktiver Nebenjob, meint Jonas: "Es ist leicht, wenn man selbst noch studiert und genau weiß, was gefordert ist."

Die Gründe dafür, einen Ghostwriter zu beschäftigen, können ganz verschieden sein. "Es gibt einen Trend zur Akademisierung", sagt Jaroch. "Immer mehr Menschen streben nach höheren Abschlüssen, weil sie sich von den Titeln eine erfolgreiche Positionierung auf dem Arbeitsmarkt versprechen." Die Hoffnung auf eine bessere Note oder schlichte Bequemlichkeit verleiten dann zum Täuschen. Andere greifen aus Zeitmangel oder Überforderung zu diesem Mittel.

Für Jaroch ist das aber kein Kavaliersdelikt, sondern ein schwerer Verstoß gegen die Ethik der Wissenschaft. Mal eine Prüfungsleistung zu schieben oder die Abschlussarbeit erst später zu schreiben, ist nicht verwerflich, sagt der Experte - einen Ghostwriter zu beauftragen aber schon: "Studieren bedeutet, eigenständige Gedanken zu entwickeln. Wer diese Leistung auslagert, der ist an seinem Studium gescheitert, egal ob er erwischt wird oder nicht."

Die Entdeckung kann das Ende der wissenschaftlichen Karriere bedeuten, warnt Jaroch. "Egal, wie die Sanktionen der Hochschule ausfallen - ein solcher Täuschungsversuch ist ein Bruch in der Bildungsbiografie." Das Risiko will gut überlegt sein. Und wer weiß: Die Arbeit selbst zu schreiben, kostet vielleicht weniger Energie als die Angst, beim Schummeln erwischt zu werden.

(dpa)
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