Kolumne Dozentenleben Rückkehr zu G9?

Moment mal, wurde die Gymnasialzeit nicht verkürzt, weil angeblich die deutschen Hochschulabsolventen im internationalen Vergleich so furchtbar alt waren? Wo ist denn diese ganze Ich-bin-viel-zu-alt-Panik abgeblieben? Kurz vor der Umstellung auf G8 habe ich tatsächlich erlebt, dass 19-jährige Abiturienten sich richtig alt vorkamen, zu alt, um auf einen Studienplatz zu warten. Und 22-jährige Bachelor-Studenten im 6. Semester waren voller Sorge, weil sie noch kein Examen hatten. Ein Blick in die Zeitung gab ihnen Recht. Überall steht zu lesen, dass die Wirtschaft nach jungen, dynamischen Mitarbeitern sucht. Dazu wurden Schul- und Studienzeiten verkürzt, und allerorten brach die große Hektik aus.

Doch mit G8 kam die Entdeckung der Langsamkeit. Alle hatten plötzlich das Gefühl, ein Jahr rausgearbeitet zu haben, und statt sich vom Zeitdruck der älteren Geschwister anstecken zu lassen, war nun das große Chillen angesagt. "Erst mal Pause", ist die häufigste Antwort auf die Frage, was man nach dem Abi eigentlich vorhabe. Und ehe man sich versieht, ist das eingesparte Jahr auch schon verbummelt. Wenn es gut gefüllt wurde mit Auslandserfahrung, Freiwilligendienst oder Praktika, ist das sehr gut investierte Zeit, doch oft genug wird es einfach noch ein Jahr im Kinderzimmer. Jüngere Studienanfänger und damit wettbewerbsfähigere Absolventen? Fehlanzeige! Doch darauf kommt es gar nicht an. Absolventen jeden Alters treffen auf einen guten Arbeitsmarkt.

Ich finde die Rückkehr zu G9 prima. Ein Jahr mehr Zeit, sich mit dem Leben nach dem Abi zu befassen, Pläne zu schmieden, erwachsen zuwerden. Hoffentlich nehmen sich die neuen G9er nicht ein Beispiel an den nun älteren G8-Geschwistern. Chillen kann man im Rentenalter immer noch.

(RP)
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