Essen/Düsseldorf Notaufnahme zum Üben für den Ernstfall

Essen/Düsseldorf · An der Universität Duisburg-Essen werden im so genannten SkillsLab Medizinstudenten auf die Praxis vorbereitet. In ihrem Praktischen Jahr in der Klinik müssen sie schließlich ohne Zögern bei OPs assistieren und Patienten untersuchen.

Es ist 23 Uhr. Der Arzt in der Notaufnahme versorgt gerade einen Patienten mit hohem Blutdruck und Nasenbluten, da trifft der Rettungswagen ein: Eine Patientin mit lebensbedrohlicher Lungenembolie wird gebracht. Und während diese behandelt wird, torkelt auch noch ein stark betrunkener Mann herein. Eine Nachtschicht wie diese ist keine Ausnahme in deutschen Notaufnahmen. Damit auch junge Mediziner auf solche Situationen vorbereitet sind, werden sie trainiert. So wie im SkillsLab der Universität Duisburg-Essen, die eine "Notaufnahme zum Üben" in einer Winternacht kürzlich inszeniert hat.

16 Studenten, die kurz vor dem Eintritt ins Praktische Jahr stehen, haben an der Übung teilgenommen - und waren richtig im Stress: Als Verantwortliche für die fiktive Notaufnahme mussten sie in ihrer Zwei-Stunden-Schicht verschiedenste chirurgische und internistische Fälle bearbeiten. "Wir haben jeden individuell beobachtet und je nach Stresslevel neue Fälle in die Notaufnahme kommen lassen", sagt Hanjo Groetschel, Ärztlicher Leiter des SkillsLab. Diese Patienten wiederum waren ebenfalls Studierende; jeder der angehenden Mediziner bekamen außerdem ein Feedback vom Ärzteteam, das alle Handgriffe und Entscheidungen genau beobachtet hatte.

"In der Notaufnahme müssen junge Ärzte nach kürzester Zeit im Krankenhaus mitarbeiten", sagt Groetschel. Deshalb sei es so wichtig, dass sie im SkillsLab in geschützter Atmosphäre üben können. Ab dem zweiten Semester, vor allem aber nach dem zweiten Staatsexamen kommen die angehenden Mediziner in das Ausbildungszentrum, in dem sie vom Blutabnehmen bis zum Ultraschall des Herzens viele Untersuchungen üben können - und zwar ohne sich zu blamieren, oder dass ein Patient Versuchskaninchen sein muss. "Später in der Klinik gelingen die Untersuchungen dann schon, weil sie geübt wurden", sagt Groetschel. Neben einigen Pflichtkursen trainieren die Studenten ab 18 Uhr abends freiwillig im SkillsLab, angeleitet werden sie von Kommilitonen höherer Semester. "Rund 1200 Studierende sind pro Semester in ihrer Freizeit dabei", so Groetschel. Und das zahle sich aus: "Sie gehen gut vorbereitet ins Praktische Jahr. Gerade für die erste Zeit im Krankenhaus vermitteln die Grundfertigkeiten Sicherheit. Die Routine kommt dann im klinischen Alltag."

Zum Beispiel am Florence-Nightingale-Krankenhaus in Düsseldorf-Kaiserswerth. Seit Sommer 2015 ist die Klinik Akademisches Lehrkrankenhaus der Heinrich-Heine-Universität. Zu jedem Semester beginnen hier zwölf bis 15 Medizinstudenten ihre Ausbildung am Patienten - im so genannten Praktischen Jahr. "Nach fünf Jahren Studium, in dem schon der ein oder andere Praxisunterricht am Krankenbett sowie Praktika stattgefunden haben, geht es dann in den Klinikbetrieb. "Und zwar in Vollzeit und integriert in die Ärzteteams", sagt Stefan Krüger, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Kardiologie und internistische Intensivmedizin, der Beauftragter für das Praktische Jahr am Florence-Nightingale-Krankenhaus ist. "Was vorher theoretisch gelernt wurde, muss nun praktisch umgesetzt werden."

Drei Disziplinen absolvieren die angehenden Ärzte im Praktischen Jahr. Die beiden großen Fächer Innere Medizin und Chirurgie sind dabei gesetzt. "Dazu kommt dann noch ein Wahlfach. Bei uns in Kaiserswerth sind Kinderchirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe, Anästhesie, Pädiatrie, Psychiatrie oder Plastische Chirurgie möglich ", sagt Stefan Krüger. Die Studenten sind in den Alltagsbetrieb der Kliniken integriert. Sie untersuchen Patienten und stellen Diagnosen, assistieren bei Operationen und sind bei Besprechungen dabei - natürlich alles unter Supervision: "Die Studenten erhalten ständig Feedback und werden angeleitet", erklärt Krüger. "Wir geben ihnen Tipps, was man noch verbessern kann. Bei OPs beispielsweise schauen die Studenten zunächst zu, dann dürfen sie die Haken um das OP-Feld halten und später auch mal die Nähte machen."

Am Ende des Praktischen Jahres steht das Staatsexamen mit mündlichen Prüfungen in vier Fächern. Wer das besteht, erhält die Approbation. Danach gehen die meisten jungen Ärzte aber in die Facharztausbildung, werden also Assistenzärzte. "Diese Zeit dauert je nach Fach noch mal rund fünf Jahre - etwa für Internisten", sagt Krüger. Übrigens: Einige ihrer ehemaligen Schützlinge sehen die Kliniken als Assistenzärzte wieder - eine Win-Win-Situation, wie der Chefarzt betont: "Man kennt sich gegenseitig, weiß, worauf man sich einlässt, und die Einarbeitung ist kurz." Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels zieht sich das Krankenhaus so auch den eigenen Nachwuchs heran.

(RP)
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