Studenten-Leben Entspannen ohne Reue

Die Bibliotheken leeren sich, die Fleischtheken im Supermarkt ebenfalls. In den Seminarräumen ist die Luft so dick, dass sie sich sogar mit unseren stumpfen WG-Messern schneiden lässt; und der gemeine Studierendenkörper begibt sich angesichts von Hitze und EM-Gucken im jetzigen Stadium des Sommersemesters langsam in den Ruhezustand. Dabei steht die eine oder andere Prüfung durchaus noch auf dem Programm. Die Kommilitonen treffen sich motiviert "zum Lernen" auf dem eigenen Balkon oder am See, um dann doch lieber über die Anschaffung eines WG-Planschbeckens zu diskutieren. Oder eines WG-Grills, weil man in diesem Jahr nun wirklich nicht mehr auf die Einweg-Alternative zurückgreifen will. Macht ja auch jede Menge Müll. Die Grill-Bandbreite ist riesig: Kugelgrill, Gasgrill, Schwenkgrill, auch der Elektrogrill ist noch im Angebot, auch wenn's von dem einfach nicht gut schmeckt - wir finden sogar eine Anleitung für ein selbst gebasteltes Modell aus einem Blumentopf. Bei der Auswahl kann man sich schon mal ein paar Stunden im Baumarkt verlieren. Und später geht's samt Grill zum See.

Am Montag nach einem solchen "Lern-Wochenende" sitzen die Studenten wieder in den Seminaren. Die einen mit einem leichten Sonnenbrand-Rot auf den Wangen, die anderen mit Brandblasen an den Fingern vom Grillen. Mehr als nur eine Handvoll Studierende hat das Wochenend-Wetter ausgenutzt. Der ungewöhnlich leere Seminarraum verrät außerdem: Einige nutzen es offenbar immer noch aus.

Ferienstimmung mitten im Semester ist was Feines. Allerdings gibt es da auch immer noch diese eine Sache, dieses. . . äähhhhm. Ach ja, dieses Lernen. Aus dem entspannten Studierenden vom Grill-Wochenende wird plötzlich eine hysterische Furie. Gestern begann er seine Sätze noch mit "Eigentlich müsste ich jetzt..." und beendete sie mit "aber man muss ja auch mal entspannen". Plötzlich wühlt er seine Unterlagen und das Umfeld panisch auf. Das schlechte Gewissen drückt, jede Minute muss verplant werden, um die vertrödelte Zeit aufzuholen. Ganz ins Wettrennen mit der Zeit vertieft, vergisst der Gestresste dabei eins: Entspannung funktioniert langfristig doch nur, wenn wir sie nachher nicht bereuen.

(RP)
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