Scanner Der Dom in 3D

Köln · Studenten der Kölner Hochschule Fresenius haben mit speziellen Scannern das Unesco-Weltkulturerbe vermessen.

Norman Jankowski hat Nerven aus Stahl. Bepackt mit einem großen Rucksack voller Technik-Ausrüstung erklomm er Stück für Stück den Nordturm des Kölner Doms. Zugegeben: Als ausgebildeter Kletterer macht dem Studenten die Höhe nicht so sehr zu schaffen. Aufgeregt war der 28-Jährige trotzdem - im positiven Sinne. "Für mich als kölsche Jung war die Klettertour ein einmaliges Erlebnis. Dort kommt sonst nur das Team der Dombauhütte hin", erzählt er stolz.

Hinter dieser Tour stehen allerdings mehr als nur ein Abenteuer und der Nervenkitzel, den Gipfelstürmer suchen - in diesem Fall der Turmbesteiger. Norman Jankowski studiert an der Hochschule Fresenius 3D-Mind & Media. Gemeinsam mit 32 Kommilitonen hat er in einem Projekt den Kölner Dom vermessen, um das mehr als 800 Jahre alte Bauwerk zu digitalisieren und ein 3D-Abbild zu erzeugen. "Entstanden ist die Idee aus einer Bierlaune heraus", sagt Jankowski, dessen Studiengangleiter Chris Wickenden vor zwei Jahren ein 3D-Symposium in Karlsruhe besuchte. Dort traf er Douglas Pritchard, einen Dozenten der Heriot Watt University in Edinburgh. Als Wickenden und Pritchard abends bei jenem Bier saßen, soll dann eins zum anderen gekommen sein.

Ausgestattet wurde das Projekt-Team rund um Norman Jankowski mit speziellen Lasern der Firma Zoller und Fröhlich. "Wie ein Fotoapparat nimmt der Laser Stück für Stück seine Umgebung auf", erklärt der Student - vereinfacht. Vor dem Dom, auf dem Dom, im Dom - mehr als 600 Mal wurde der Laser verrückt. Ein Punkt wird anvisiert, das Laserlicht ausgesandt, um die Entfernung zum Punkt zu messen. Im Gerät ist ein rotierender Spiegel eingebaut, der den Laserstrahl ablenkt. So werden im Laufe der Rotation immer neue Punkte vermessen, und immer neue Messdaten werden übertragen. Fertig ist das dreidimensionale Bild.

"Uns ging es nicht darum, ein schönes dreidimensionales Abbild des Kölner Doms zu erzeugen. Wir wollten ein absolut identisches mit Abweichungen bis maximal drei Millimeter", sagt Douglas Pritchard, der sich während seines Besuchs in Köln intensiv mit dem historischen Bauwerk auseinandersetzte. Und je mehr er das tat, desto mehr fiel ihm der schlechte Zustand des Bauwerks auf. Gelitten habe der Dom in den letzten Jahrzehnten und -hunderten. Der Erste Weltkrieg und der Zweite haben ebenso ihre Spuren hinterlassen wie das Wetter und Vandalen. "Und die U-Bahn nicht zu vergessen", fügt Norman Jankowski hinzu. Die rattert tagein tagaus unter dem Dom entlang, "dadurch ist er irgendwie immer in Bewegung", erklärt der Student. In fünf bis zehn Jahren soll die Kirche noch einmal vermessen werden, "dann können wir ganz genau sehen, wie sich Risse und Schäden verändert haben", erklärt Jankowski.

Begleitet wurde das Forscherteam von einer Filmcrew - ebenfalls 3D-Mind & Media-Studenten. Sie haben die Datensammlung gefilmt, auch mit einer Drohne, die Bilder aus der Höhe aufgenommen hat. Die Kommilitonen haben, wie Norman Jankowski findet, "ein wirklich tolles und hochwertiges Video produziert". Dort sind unter anderem die verschiedenen Phasen der Umsetzung zu sehen. Gestartet waren die Dozenten und Studenten mit dem praktischen Teil im Mai vergangenen Jahres. Eine Woche stand die Gruppe vor und im Dom und fertigte 220 Scans an. Unbemerkt blieb das natürlich nicht, bei 20.000 Menschen, die täglich die Touristenattraktion ansteuern. "Wir haben Info-Stände aufgebaut und von unserem Projekt erzählt", erinnert sich der Student.

Die zweite Phase begann im November, zwei Wochen lang kümmerten sich der 28-Jährige und seine Kollegen vor allem um die Dachkonstruktion und die Türme. "An der höchsten Stelle misst der Nordturm 157 Meter - das ist schon eine Herausforderung", sagt Jankowski. Vor allem, weil es dort keine Plattform gebe, auf der man arbeiten kann. Mit dem Aufzug wurde die Technik so weit es ging nach oben transportiert. "Ab 130 Meter mussten wir dann über die Fassade klettern." Ohne Lastenaufzug, ohne Seilwinde - nur Douglas Pritchard und Norman Jankowski, die das Material kurzerhand auf den Rücken schnallten und hinaufkletterten - gesichert, versteht sich. Von dort konstruierten sie nach dem Scan aus Seilen eine Verbindung zum Südturm, für einen einfachen Transport. "Dort gibt es gar keinen Aufzug", sagt Jankowski.

225 Stunden Arbeit investierten die Forscher allein am Dom. Zwei Terrabyte an Datenmenge ist zusammengekommen, das entspricht etwa 420.000 Songs. Am Ende zeichneten die Scanner 9,65 Milliarden Punkte auf, die am Computer schließlich zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt wurden. Die Daten sollen an die Dombauhütte übergeben werden, deren Mitarbeiter von Anfang an in das Scan-Projekt involviert waren. Sozusagen als Schützer des Denkmals in der Kölner Innenstadt. Mit dem sehr exakten Bild, das vom Dom entstanden ist, können Restaurierungen und Reparaturen einfacher geplant werden, ohne jedes Mal ein Gerüst anbringen zu müssen, um sich das Problem näher anschauen zu können. Das spart Zeit und vor allem Geld. Außerdem kann das Material auch für den Tourismus genutzt werden, für einen virtuellen Rundgang zum Beispiel.

Für Norman Jankowski ein schöner Nebeneffekt der vielen Arbeit, durch die er sein eher kreatives Studium mal von einer ganz anderen, technischen Seite kennenlernen konnte. "Und ich habe einen tollen Einblick in ein wirklich historisches Bauwerk aus meiner Geburtsstadt bekommen", sagt der 28-Jährige.

(RP)
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